Auch an chinesischen Häfen macht sich die Coronavirus-Krise bemerkbar.

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Wie verletzlich Unternehmen entlang globaler Lieferketten sind, hat das Boeing-Debakel gezeigt. Die 737 Max wurde nach zwei Abstürzen mit einem weltweiten Flugverbot belegt, die Produktion lahmgelegt. Zahlreichen Zulieferern brach wichtiges Geschäft weg. War es beim amerikanischen Flugzeugbauer die Krise eines einzelnen Unternehmens, spielt sich die aktuelle Entwicklung nun auf einer ungleich höheren Größenordnung ab. Denn das Coronavirus legt nicht nur die Lieferketten in einer Branche lahm.

Wenn in China etwa zahlreiche Fabriken und Häfen geschlossen bleiben, macht sich das an vielen Knoten der globalen Lieferketten bemerkbar. Betroffen sind besonders die Elektronik- und Textilbranche, wo jeweils über zehn Prozent der weltweiten Produktion in China hergestellte Komponenten enthalten. Die Volkswirte des Kreditversicherers Coface prognostizieren etwa, dass Elektrohändler in aller Welt ihr Geschäft kaum über Ende März hinaus mit Lagerbeständen bestreiten können.

Gegen eine Wirtschaftskrise hilft auch kein Schutzanzug.
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Einmal Ernstfall durchrechnen

Die Analysten vom Thinktank Oxford Economics rechnen vor, wie stark das weltweite Wirtschaftsprodukt einbrechen würde, wenn sich Corona zu einer weltweiten Epidemie ausbreitet. Mitarbeiter, die zu Hause bleiben, unterbrochene Lieferketten und Einbrüche beim Tourismus würden das globale BIP demnach um mehr als eine Billion Euro schrumpfen lassen.

Auch die Weltbank hat vor Zeiten vorgerechnet, dass eine globale Pandemie selbst laut vorsichtigen Berechnungen rund ein Prozent der globalen Wirtschaftsleistung vernichten würde. Eine Krise wie die spanische Grippe, die 1918 rund 50 Millionen Menschenleben gekostet hat, würde laut dem Weltbank-Modell aus dem Jahr 2015 sogar fünf Prozent des weltweiten BIP dahinraffen.

Dass die neuartige Atemwegserkrankung nun auch Italien zu schaffen macht, könnte für die österreichische Wirtschaft noch einmal pikanter werden – und zwar über mehrere Branchen hinweg. Denn das Stiefelland ist immerhin der drittwichtigste Handelspartner Österreichs. Und die betroffenen Regionen im Norden des Landes der Motor der italienischen Wirtschaft.

Österreich spürt China

Hierzulande bekamen zahlreiche Unternehmen die Coronavirus-Krise bereits zu spüren, bevor sie nach Europa überschwappte. Beispiel Palfinger: Der Spezialist für Hebevorrichtungen kann derzeit nicht mit Vollschub produzieren. In Rudong betreibt der Salzburger Konzern eine Produktionsstätte, die praktisch stillliegt. Zahlreiche Mitarbeiter dürfen aufgrund der behördlichen Bestimmungen nicht von außerhalb in die Region zurückkehren.

Den Möwen herzlich egal, der OMV eher nicht: das Coronavirus.
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Die OMV hat hingegen selbst gehandelt und für ihre Mitarbeiter Reisebeschränkungen für China und Staaten in unmittelbarer Nachbarschaft verhängt. Betroffen sind unter anderem Indonesien, Singapur, Thailand und andere südostasiatische Länder. Seit Montag gilt die OMV-interne Reisebeschränkung auch für Italien. Geschäftlich unkritische Termine würden mittels Video- oder Skype-Konferenzen durchgeführt, bei heiklen Terminen gibt es bedarfsweise Ausnahmen vom Reiseverbot. Zwar sehe man noch keine Einschränkungen im operativen Geschäft, man beobachte die Situation aber sehr genau, heißt es vonseiten des Rohstoffkonzerns. Immerhin rechnet die Opec mit einem deutlichen Nachfrageminus nach Rohöl im ersten Quartal des laufenden Jahres.

Auch bei Infineon hat man konzernintern auf die Corona-Epidemie reagiert. "Neben umfassenden Präventionsmaßnahmen und medizinischen Beratungsangeboten gelten bei Infineon umfassende Reiserichtlinien für China, Korea und Teile Italiens. In China arbeiten mehr als 500 Mitarbeiter derzeit weitgehend von zu Hause aus", sagt eine Sprecherin der Österreich-Sparte des Halbleiterherstellers. Wirtschaftliche Folgen und Auswirkungen auf die Lieferkette könne man noch nicht abschätzen. "Alle unsere weltweiten Fertigungsstandorte sind in Betrieb und befinden sich – nach aktuellem Stand – außerhalb der von den Behörden festgelegten Kontrollzonen", so die Infineon-Sprecherin.

Auch bei zahlreichen weiteren heimischen Unternehmen, bei denen sich DER STANDARD umgehört hat, herrscht erhöhte Alarmbereitschaft. Bewahrheiten sich die Prognosen des Wirtschaftsforschers Lorenzo Codogno, früher Chefökonom im italienischen Finanzministerium, rutscht das schuldengeplagte Land im ersten Quartal in eine Rezession. Codogno erwartet ein Minus von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (Aloysius Widmann, 26.2.2020)