Aussage der Referentin für Rechtsextremismus im BVT vor dem Untersuchungsausschuss über den Tag, als Herbert Kickls Mannen im Zuge der berühmten Razzia ihr Büro stürmten: "Meine erste Überlegung war: Das ist jetzt der Tag X, von dem in der (rechtsextremen, Anm.) Szene immer gesprochen wurde – wenn sie an die Macht kommen".

In Deutschland gibt es massenweise Gruppen, die von diesem "Tag YX" träumen beziehungsweise deswegen gerade verhaftet wurden ("Gruppe S") oder vor Gericht stehen ("Revolution Chemnitz"). Deutschland debattiert, ob der Kampf gegen organisierten und unorganisierten ("einsame Wölfe") Rechtsextremismus von den eigenen Sicherheitsbehörden nicht sträflich vernachlässigt, bewusst bagatellisiert (solange Hans-Georg Maaßen Verfassungsschutzchef war) und manchmal direkt sabotiert worden ist. Die Regierenden sind inzwischen aufgewacht.

Demonstration nach dem rechtsextremen Anschlag in Hanau.
Foto: imago /Friedrich Bungert

In Österreich finden sich in den Internetforen (auch des STANDARD) etliche Leute, die das alles nach Kräften verharmlosen, in Zweifel ziehen oder "die Regierenden, die nicht auf das Volk hören", verantwortlich machen und die geistigen Drahtzieher von der AfD freisprechen. Außerdem hätten im Unterschied zu Deutschland "keine Asylheime gebrannt".

Das ist falsch. Der bekannteste Brandanschlag, bei dem 2016 ein neues, noch nicht bezogenes Flüchtlingsheim in Altenfelden, OÖ, völlig zerstört wurde, ist unaufgeklärt. Ebenso ein Anschlag auf ein früheres Flüchtlingsheim in Wien 19. Ein Brandanschlag auf ein Heim in Himberg, NÖ, aus dem Jahr 2016 konnte 2019 aufgeklärt werden. Seit 2015 gab es (kleinere) Brandanschläge in Kärnten, in Wels, in Dornbirn, ebenso in Mitterdorf, Wörgl und Traiskirchen.

"Smarter" Rechtsextremismus

Der Verfassungsschutzbericht für 2018 (der für 2019 ist noch nicht veröffentlicht) spricht von einem klaren Anstieg rechtsextremer Tathandlungen – hauptsächlich Anzeigen nach dem Verbotsgesetz, wegen Verhetzung und rund 20 Körperverletzungsdelikte. Was die Gewalttaten betrifft, sagt der Rechtsextremismusexperte Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), wisse man, "dass in der Szene hierzulande noch nie mehr Waffen vorhanden waren als heute".

Der Verfassungsschutzbericht weist darauf hin, dass der "straff organisierte Rechtsextremismus ‚traditioneller‘ neonazistischer und faschistischer Prägung" durch einen sozusagen "smarten" neuen Rechtsextremismus ersetzt wurde: "Rechtsextreme Akteure sind bestrebt, mithilfe sozialer Medien, (Online-)Publikationen und eigener Verlage ‚alternative Fakten‘ unter dem Deckmantel von ‚Unabhängigkeit‘ und ‚objektiver‘ Berichterstattung in der ‚Mitte der Gesellschaft‘ zu positionieren".

Schwere Gewalttaten sind bisher ausgeblieben, und ein Innenminister Kickl, der die Teilnehmer eines rechtsextremen Kongresses als Geistesbrüder angesprochen hat und die AfD als "patriotische Partei" betrachtet, ist Geschichte. Dass Kanzler Sebastian Kurz nach den rechtsextremen Massenmorden in Hanau zum Kampf gegen "alle" Extremismen aufrief, lässt hingegen auf ein schiefes Problembewusstsein schließen. (Hans Rauscher, 25.2.2020)