Bild nicht mehr verfügbar.

Der Trevi-Brunnen in Rom hat schon mehr Besucher gesehen.

Foto: Reuters/Casili

Vor einem Jahr war es der Untergang des Reisegiganten Thomas Cook, der eine Schockwelle durch Italiens Tourismusbranche jagte; dann kam der große Regen, der Venedig und andere Teile der Apenninen-Halbinsel unter Wasser setzte. Jetzt ist es ein neuer Typ von Virus, vor dem Tourismusverantwortliche in ganz Italien zittern. Statt Anfragen und Buchungen gibt es in vielen Hotels Absagen und Stille.

Italien ist nicht das erste und einzige Land in Europa, in dem Menschen positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Nirgendwo sonst hat sich die Infektion aber so sprunghaft verbreitet, nirgendwo sonst wurden von den Behörden außerhalb Chinas so drastische Maßnahmen gesetzt, bis hin zur Abschottung ganzer Dörfer und Städte im Norden Italiens.

Erhöhte Vorsicht

Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Serbien, Irland und Israel gehörten zu den ersten Ländern, die ihren Staatsangehörigen vor Reisen nach Italien abrieten. Deutschland, Großbritannien und die USA empfehlen erhöhte Vorsicht, das österreichische Außenministerium hat eine partielle Reisewarnung für elf Gemeinden in der Lombardei und Venetien verhängt. Das und die Tatsache, dass die italienische Regierung selbst Schul- und Klassenfahrten für die nächste Zeit untersagt hat, trifft Italiens Tourismusbranche hart.

Und es könnte dauern bis zu einer Normalisierung. Martin Lohmann, Leiter des Instituts für Tourismusforschung in Nordeuropa und wissenschaftlicher Berater der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, sagt, dass Touristen in der Regel sehr langsam bis gar nicht auf Ereignisse reagieren, es sei denn, ihre eigene Gesundheit oder die zentrale Urlaubsmotivation sei gefährdet.

Podcast: Was man tun muss, wenn man sich selbst ansteckt.

Vergleichbar mit Algenpest

Was derzeit geschehe, sei am ehesten mit der Algenpest Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre an der Oberen Adria vergleichbar. "Da war plötzlich das zentrale Urlaubsmotiv weg – man konnte nicht mehr im Mittelmeer baden, bzw. es war ekelig. Jetzt ist es – angemessen oder nicht – die Sorge um die eigene Gesundheit, die Urlauber umtreibt. Wenn man sich vor etwas nicht schützen kann, wählt man lieber ein anderes Ziel", sagte Lohmann dem STANDARD. "Außer es treten dort ebenfalls gehäuft Covid-19-Fälle auf. Das würde zu einer ausgleichenden Gerechtigkeit führen, die Welt aber nicht besser machen."

Wie wichtig der Tourismus für Italiens Wirtschaft ist, zeigt die Statistik. Im Vorjahr war der Belpaese das am fünftmeisten besuchte Land auf der Erde – nach Frankreich, Spanien, USA und China. Laut Banca d'Italia trägt der Tourismus gut fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes bei, indirekt sind es knapp 13 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich beträgt der Tourismusanteil am BIP gut sechs Prozent, indirekt sind es knapp 16 Prozent.

Die Rufe aus der Branche nach Steuernachlass und anderen Unterstützungsmaßnahmen häuften sich zuletzt. Tourismusminister Dario Franceschini vom Partito Democratico hat bereits ein Maßnahmenpaket in Aussicht gestellt.

Das Coronavirus erklärt.
DER STANDARD

Dramatischer Rückgang

Nicht nur in Venedig, wo der Karneval erstmals seit 50 Jahren abgebrochen wurde, beklagen Hoteliers einen dramatischen Rückgang an Gästen – im Vergleich zu vor zwölf Monaten teils bis zu 45 Prozent. Die konservativsten Schätzungen bezifferten zuletzt den möglichen Verlust wegen des Coronavirus für Italiens Tourismus mit fünf Milliarden Euro. Das war allerdings, bevor es zum Ausbruch der Infektion in Italien kam, und reflektierte im Wesentlichen das Ausbleiben kaufkräftiger chinesischer Gäste im Land aufgrund gekappter Flugverbindungen.

Inzwischen traut sich kaum jemand, eine Prognose anzustellen, zumal man nicht weiß, wie lang die Krise dauern wird. Viele Museen, Ausgrabungsstätten, Kirchen und Klöster sind geschlossen. Auch Theater und diverse Opernhäuser haben den Betrieb bis auf weiteres eingestellt. Sportveranstaltungen wie der Marathon in Bologna am 1. März wurden abgesagt. Bei den meisten Reisestornoversicherungen seien behördliche Maßnahmen und Epidemien vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, teilte die D.A.S. Rechtsschutzversicherung mit.

Lohmann wünscht sich etwas mehr Gelassenheit. "Was wir derzeit erleben, ist eine Reaktion auf die gesellschaftliche Reaktion, nicht auf die Krankheit selbst", sagt der Tourismusexperte. "Würde man sagen, dass es einen neuen Typ von Grippevirus gibt und ein paar mehr Grippetote als vorher, würde wahrscheinlich wenig passieren." (Günther Strobl, 26.2.2020)