Strom erzeugen aus der Luft? Was wie das Versprechen von Freie-Energie-Maschinen aus dem parawissenschaftlichen Bereich klingt, ist tatsächlich eine clevere Zusammenarbeit von Elektrotechnik, Biologie und Chemie. Anders als bei den Verfechtern des Perpetuum mobiles bleibt diese neue Erfindung unseren physikalischen Gesetzen treu.

Die Idee, eine elektrische Ladung aus Luftfeuchtigkeit zu erzeugen, ist nicht neu. Dafür jedoch biologische Eiweißstrukturen zu verwenden, ist eher unkonventionell. Das Bakterium Geobacter sulfurreducens produziert feine Fasern, sogenannte Pili, die es ihm ermöglichen, sich an Oberflächen anzuhaften. Wissenschafter entdeckten außerdem, dass diese Proteine leitende Eigenschaften besitzen, ähnlich der von künstlichen Nanodrähten.

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Bakterien besitzen viele kleine Proteinfasern mit erstaunlichen Eigenschaften
Foto: AP/Centers for Disease Control and Prevention

Luftfeuchtigkeit als Spannungsgenerator

In einer Studie an der Universität Massachusetts haben Forscher sich diese Eigenschaften nun zu Nutze gemacht. Sie platzierten eine dünne Proteinschicht zwischen zwei Elektroden und testeten ihre Leitfähigkeit. Dabei stellten sie fest, dass die Anordnung selbstständig einen Strom im Nanoampere-Bereich produzierte.

Ein Langzeittest zeigte eine konstante Spannung um 0,5 Volt, die allerdings Schwankungen aufwies, die im Zusammenhang mit der Luftfeuchtigkeit standen. Weitere Untersuchungen belegten, dass die Stromerzeugung davon abhängig war, wie sich die Feuchtigkeit in den winzigen Poren zwischen den Protein-Fasern verteilte. Das Wasser drang nicht in die tieferen Schichten vor, wodurch ein Feuchtigkeitsgradient entstand.

Doch nicht nur die Wasseraufnahme, auch die Oberflächenchemie der Proteine, war bedeutend für den Stromfluss. Weitere Experimente konnten nachweisen, dass funktionelle Gruppen in den organischen Verbindungen beim Kontakt mit dem Wasser ionisiert wurden, wodurch freie Protonen entstanden, die sich in dem Material bewegen konnten und für einen Stromfluss sorgten. Dies ließ sich mit ähnlich aufgebauten Strukturen ohne organische Verbindungen nicht erreichen.

Der Energiebedarf der Menschheit wird nicht sinken, weshalb es nachhaltiger Energiequellen bedarf
Foto: imago/Müller-Stauffenberg

Nachhaltige Energiequelle der Zukunft

Die Protein-Nanodrähte sind ein nachhaltiges Material, da sie von Bakterien produziert werden. Luftfeuchtigkeit ist eine erneuerbare Ressource, da sie uns praktisch immer umgibt. Die Stromerzeugung kann unabhängig von Treibstoffen, Sonne oder Wind dauerhaft stattfinden, drinnen wie draußen. Sogar in extremen Umgebungen wie Wüsten soll die Methode noch funktionieren, wenn auch mit Einschränkungen.

Durch das Zusammenschalten mehrerer Elemente erreichten die Forscher in ihren Experimenten bereits eine Spannung von zehn Volt, womit sie eine LED und ein LCD-Display zum Leuchten brachten. Die sich über die Luftfeuchtigkeit selbst aufladenden Konstruktionen könnten die traditionellen Akkus in manchen Geräten und ihre Ladekabel überflüssig machen. "Wir machen buchstäblich Elektrizität aus der Luft", freut sich Studienleiter Jun Yao. "Ich erwarte, dass wir größere Systeme herstellen können, die einen Beitrag zur nachhaltigen Energieproduktion leisten werden." (Friederike Schlumm, 1.3.2020)