Der Nahost-Friedensplan der USA stieß international auf Kritik.

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50 ehemalige europäische Staats- und Regierungschefs, Außen- und Staatsminister sprechen sich in einem Brief öffentlich gegen den von US-Präsident Donald Trump als "deal of the century" präsentierten Nahost-Friedensplan aus.

Der Brief kritisiert vor allem, dass der Ende Jänner präsentierte Plan den "fundamentalen Grundsätzen des Völkerrechts" widerspricht, von international vereinbarten Parametern abweicht und die auf globalen Regeln basierende Ordnung infrage stellt. In dem Brief ziehen die Unterzeichnenden auch Parallelen zur Apartheid in Südafrika. Palästinensische Enklaven unter ständiger israelischer Militärkontrolle würden "erschreckende Assoziationen mit den südafrikanischen Homelands hervorrufen".

Abschließend fordern die Unterzeichnenden Europa auf, "den US-Plan als Verhandlungsgrundlage abzulehnen und unverzüglich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefahr einer Annexion entgegenzuwirken – und damit die auf internationalen Regeln basierende Ordnung aufrechtzuerhalten".

Internationale Kritik am Plan

Aus Österreich haben Benita Ferrero-Waldner (Außenministerin von 2000 bis 2004) und Michael Spindelegger (2008 bis 2013) unterzeichnet. Weitere hochrangige Unterzeichner sind zum Beispiel Javier Solana, Sigmar Gabriel, Dominique de Villepin, Hans-Gert Pöttering, Chris Patten, Karel Schwarzenberg und Micheline Calmy-Rey.

Der US-Plan stieß international auf einige Kritik, weil er die Palästinenser zu erheblichen Zugeständnissen an Israel zwingt. Gleichzeitig würde er Israel die Annexion des Westjordanlandes und von Siedlungen erlauben. Israel könnte alle Siedlungen behalten, die nach dem Sechstagekrieg 1967 gebaut wurden. Auch solle in Teilen des mehrheitlich palästinensischen Westjordanlandes israelisches Recht gelten. Ein Palästinenserstaat wäre mit weiteren harten Auflagen verbunden, der Wunsch der Palästinenser nach einer Hauptstadt im historischen Ostjerusalem zunichte gemacht.

Ablehnung aus der EU

Auch aus der EU kam Ablehnung. EU-Linie ist es, eine ausgehandelte Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967 mit gleichwertigem Landtausch zu befürworten. Der Staat Israel und ein unabhängiger, demokratischer Staat Palästina sollten Seite an Seite in Frieden und gegenseitiger Anerkennung leben. So ähnlich formuliert es auch das österreichische Regierungsprogramm. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz lobte vorsichtig "allein das Vorhandensein" des Plans. Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg sprachen sich für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen unter US-Führung und mit Unterstützung der EU und der UNO aus. (mhe, 27.2.2020)

Der Brief im Wortlaut in deutscher Übersetzung:

Erklärung ehemaliger europäischer Spitzenpolitiker:

"Große Besorgnis über den US-Plan für den israelisch-palästinensischen Konflikt"

Als Europäer, die sich weltweit für die Förderung des Völkerrechts, des Friedens und der Sicherheit einsetzen, drücken wir unsere tiefe Besorgnis über den Nahost-Plan von Präsident Trump mit dem Titel "Peace to Prosperity" aus.

Der Plan widerspricht international vereinbarten Parametern für den Nahost-Friedensprozess, den einschlägigen UN-Resolutionen einschließlich der Resolution 2334 des Uno-Sicherheitsrates und den fundamentalen Grundsätzen des Völkerrechts. Anstatt den Frieden zu fördern, besteht die Gefahr, dass er den Konflikt anheizt – sowohl auf Kosten der israelischen als auch der palästinensischen Zivilbevölkerung und mit schwerwiegenden Auswirkungen auf Jordanien und die gesamte Region. Er stieß in der Region, in Europa und in den Vereinigten Staaten auf umfassenden Widerstand.

Der Plan ermöglicht die Annexion großer und lebenswichtiger Teile des besetzten palästinensischen Gebiets und legitimiert und fördert illegale israelische Siedlungsaktivitäten. Er erkennt nur die Ansprüche einer Seite an Jerusalem an und bietet keine gerechte Lösung für das Problem der palästinensischen Flüchtlinge. Er entwirft einen zukünftigen palästinensischen "Staat" ohne Kontrolle und Souveränität über sein fragmentiertes Territorium. Die im Plan enthaltene Karte schlägt palästinensische Enklaven unter ständiger israelischer Militärkontrolle vor, die erschreckende Assoziationen mit den südafrikanischen "Homelands" hervorrufen.

"Peace to Prosperity" ist weder ein Fahrplan für eine tragfähige Zwei-Staaten-Lösung noch für eine andere legitime Lösung des Konflikts. Der Plan schlägt eine Festschreibung der gegenwärtigen Realität auf dem besetzten palästinensischen Gebiet vor, in der zwei Völker nicht gleichberechtigt nebeneinander leben. Eine solches Ergebnis weist Merkmale auf, die der Apartheid ähneln – ein Begriff, den wir nicht leichtfertig verwenden.

Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Europäische Union, muss verhindern, dass sich ein solches Szenario entfaltet, um die Würde und die Rechte der Palästinenser, die Zukunft der israelischen Demokratie und die umfassendere internationale regelbasierte Ordnung zu wahren.

Wir begrüßen die Erklärung des Hohen Vertreters der EU, Josep Borrell, in der er das anhaltende Bekenntnis der EU zu einer Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 gemäß den internationalen Parametern betont. Wir stimmen voll und ganz mit der EU darin überein, dass israelische "Schritte zur Annexion, falls sie umgesetzt werden, nicht unangefochten bleiben könnten", da sie die grundlegende internationale Norm schwächen würden, die die gewaltsame Aneignung von Territorium verbietet.

Angesichts der Dringlichkeit der Situation fordern wir Europa auf, den US-Plan als Verhandlungsgrundlage abzulehnen und unverzüglich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefahr einer Annexion entgegenzuwirken – und damit die auf internationalen Regeln basierende Ordnung aufrechtzuerhalten.

Respektvoll,

Douglas Alexander, ehemaliger Staatsminister für Europa und Staatssekretär für internationale Entwicklung, Vereinigtes Königreich

Ben Bradshaw, ehemaliger Staatsminister für den Nahen Osten, Vereinigtes Königreich

Gro Harlem Brundtland, ehemaliger Premierminister, Norwegen

John Bruton, ehemaliger Premierminister, Irland

Micheline Calmy-Rey, ehemalige Außenministerin und Präsidentin, Schweiz

Ingvar Carlsson, ehemaliger schwedischer Ministerpräsident

Włodzimierz Cimoszewicz, ehemaliger Außenminister und Ministerpräsident, Polen

Daniel Cohn-Bendit, ehemaliger Co-Präsident der Fraktion Europäische Grüne – Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament, Deutschland

Joe Costello, ehemaliger Staatsminister für Handel und Entwicklung und Vorsitzender des Ausschusses für europäische Angelegenheiten, Irland

Willy Claes, ehemaliger Außenminister und Nato-Generalsekretär, Belgien

Massimo d’Alema, ehemaliger Außenminister und Premierminister, Italien

Teresa Patrício de Gouveia, ehemalige Außenministerin, Portugal

Dominique de Villepin, ehemaliger Außenminister und Premierminister, Frankreich

Ruth Dreifuss, ehemalige Außenministerin und Präsidentin, Schweiz

Alan Duncan, ehemaliger Staatsminister für Europa und Amerika und Staatsminister für internationale Entwicklung, Vereinigtes Königreich

Espen Barth Eide, ehemaliger Außenminister, Norwegen

Jan Eliasson, ehemaliger Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Schweden

Uffe Ellemann-Jensen, ehemaliger Außenminister und Präsident der Europäischen Liberalen, Dänemark

Benita Ferrero-Waldner, ehemalige Außenministerin und EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Österreich

Sigmar Gabriel, ehemaliger Außenminister und Vizekanzler, Deutschland

Peter Hain, ehemaliger Staatsminister für den Nahen Osten, Vereinigtes Königreich

Lena Hjelm-Wallén, ehemalige Außenministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, Schweden

Trinidad Jiménez, ehemaliger Außenminister, Spanien

Tom Kitt, ehemaliger Staatsminister, Irland

Bert Koenders, ehemaliger Außenminister der Niederlande

Martin Liedegaard, ehemaliger Außenminister, Dänemark

Mogens Lykketoft, ehemaliger Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Dänemark

Sven Mikser, ehemaliger Außenminister, Estland

Per Stig Møller, ehemaliger Außenminister, Dänemark

Holger K. Nielsen, ehemaliger Außenminister, Dänemark

Andrzej Olechowski, ehemaliger Außenminister, Polen

Marc Otte, ehemaliger EU-Sonderbeauftragter für den Nahost-Friedensprozess, Belgien

Chris Patten, ehemaliger Vizepräsident der Europäischen Kommission, Vereinigtes Königreich

Hans-Gert Pöttering, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments, Deutschland

Jacques Poos, ehemaliger Außenminister, Luxemburg

Vesna Pusić, ehemalige Außenministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, Kroatien

Mary Robinson, ehemalige Präsidentin und Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Irland

Jacques Santer, ehemaliger Premierminister und Präsident der Europäischen Kommission, Luxemburg

Karel Schwarzenberg, ehemaliger Außenminister und stellvertretender Ministerpräsident, Tschechische Republik

Robert Serry, ehemaliger UN-Sonderkoordinator für den Nahost-Friedensprozess, Niederlande

Javier Solana, ehemaliger Außenminister, NATO-Generalsekretär und Hoher Vertreter der EU für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Spanien

Michael Spindelegger, ehemaliger Außenminister und Vizekanzler, ÖsterreichJack Straw, ehemaliger Außenminister, Vereinigtes Königreich

Jack Straw, ehemaliger Außenminister, Vereinigtes Königreich

Gareth Thomas, ehemaliger Staatsminister für internationale Entwicklung, Vereinigtes Königreich

Erkki Tuomioja, ehemaliger Außenminister, Finnland

Ivo Vajgl, ehemaliger Außenminister, Slowenien

Jozias van Aartsen, ehemaliger Außenminister der Niederlande

Frank Vandenbroucke, ehemaliger Außenminister, Belgien

Hubert Védrine, ehemaliger Außenminister, Frankreich

Sayeeda Warsi, ehemalige Außenministerin für die Vereinten Nationen, Menschenrechte und den IStGH, Vereinigtes Königreich