Öllinger will notfalls bis zum EGMR gehen, um das Urteil anzufechten.

Foto: DER STANDARD/Matthias Cremer

Ein Mann, der während der Demonstration gegen den Akademikerball im Jänner 2019 mit ausgestrecktem rechtem Arm am Fenster der "Bude" der deutschnationalen Burschenschaft Gothia fotografiert wurde, wird demnächst wieder die Justiz beschäftigen. Über seinen Anwalt hatte er Mahnschreiben gegen Nutzer sozialer Medien eingebracht, die Fotos der Geste samt kritischer Kommentierung weiterverbreitet hatten. Mehrere Beobachter wollten einen Hitlergruß erkannt haben.

Öllinger hatte einen Tweet, der zwei Fotos von dieser Szene enthielt, als Screenshot auf Facebook geteilt und dazu den Kommentar "Das sind die, die sich heute beim Burschi-, äh Akademikerball der FPÖ versammeln. Zum Kotzen!" Der Richter am Landesgericht Wien hatte darin den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt gesehen.

Berufung

Argumentiert wurde dies unter anderem damit, dass der Mann zum Zeitpunkt des Postings bereits über eine – im Posting trotz Kenntnis nicht erwähnte – "persönliche Erklärung" abgestritten habe, einen Hitlergruß gezeigt zu haben, die Durchsicht der kompletten Bilderstrecke den Verdacht nicht erhärte und Öllingers Posting den "dringenden" Verdacht erwecke, dass der Hitlergruß gezeigt worden war.

Öllinger und seine Anwältin Maria Windhager – sie vertritt auch den STANDARD in medienrechtlichen Angelegenheiten – gehen gegen diesen Richterspruch in Berufung. Der Burschenschafter habe selbst mit seinen provokanten Gesten die kritischen Reaktionen ausgelöst und müsse sich diese nun gefallen lassen, so Windhager.

Öllinger hatte einen Screenshot dieses Tweets auf Facebook geteilt.
Foto: Twitter (Anonymisierung: STANDARD)

Widersprüchliche Aussagen

Die Verhandlung ist für Donnerstag, den 27. Februar, anberaumt. Ob es noch zu einer Vernehmung des Burschenschafters, der mittlerweile auch Mitglied der Gothia geworden ist, kommt, bleibt abzuwarten. Ein Antrag darauf wurde jedenfalls eingebracht.

Konkret geht es dabei um die bereits erwähnte Darstellung des Burschenschafters zu seiner Geste. Noch bevor Ermittlungen wegen Verdachts der Wiederbetätigung aufgenommen worden waren, hatte dieser seine "persönliche Erklärung" zum Vorfall veröffentlicht – sowohl in einem öffentlich einsehbaren Posting auf Facebook als auch über den Nachrichtendienst OTS der Austria Presse Agentur (APA).

In dieser später wieder auf beiden Plattformen gelöschten Botschaft erklärt er, er habe – "durch die Schmähungen und Angriffe auf das Haus der Burschenschaft provoziert" – den Demonstranten "zugewunken". Dabei gestand er selbst ein, dass die auf dem Foto ersichtliche Position "die Interpretation zulässt", dass er den Hitlergruß gezeigt hätte. Weiters betonte er seine "völlige Ablehnung des nationalsozialistischen Gedankenguts".

Anders stellte er jedoch den Ablauf bei der gerichtlichen Einvernahme unter Wahrheitspflicht dar. Dort meinte er, er habe lediglich vom Fenster aus Freunden zugewunken. Diese Darstellung wiederholte sein Anwalt schließlich auch bei der ersten Verhandlung gegen Öllinger am Landesgericht Wien.

Öllinger sieht Gefahr für Meinungsfreiheit

Sollte das Urteil auch in zweiter Instanz halten, will Öllinger vor den Obersten Gerichtshof ziehen, die letzte inländische Instanz für solche Verfahren. Danach bliebe ihm nur noch der Weg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Dass ein Gericht die Verbreitung eines Fotos mit strittigem Inhalt verbietet, könnte fatale Folgen für die Presse- und Meinungsfreiheit haben, sagt Öllinger: "Da hört sich jede kritische Berichterstattung auf", wenn man nicht einmal mehr den eigenen Eindruck zu einer fotografierten Situation öffentlich mitteilen könne.

Weiters ist er der Meinung, dass die Ermittlungen in dem Fall nicht konsequent genug geführt wurden. So bemängelt er etwa, dass es keine Befragung von Anrainern gab, die die Ereignisse beobachtet hatten. Er selbst hat Kontakt zu Demoteilnehmern über Facebook aufgenommen, diese wollen in der Geste ebenfalls den Hitlergruß erkannt haben. Ein Teil von ihnen sei auch zu Aussagen bereit. Die Behörden selbst haben das Verfahren gegen den Burschenschafter bereits im Mai 2019 eingestellt.

Zahlreiche Internetnutzer wurden abgemahnt

Nicht nur Öllinger hat nach seinem Posting Bekanntschaft mit dem Anwalt des Burschenschafters gemacht. Auch eine Reihe anderer Social-Media-Nutzer wurden deswegen abgemahnt. Bekannt sind rund 20 Fälle, in denen eine Summe von bis zu 2.000 Euro für die Abwendung eines Verfahrens verlangt wurde – teils nur für Retweets kritischer Aussagen mitsamt Foto bzw. Fotos.

Etwaigen weiteren Gemahnten rät Öllinger, auf jeden Fall anwaltliche Beratung zu suchen. Denn es hängt im Einzelfall davon ab, was im eigenen oder geteilten Posting steht und welche Vorwürfe im Mahnbrief vorgebracht werden. (gpi, 26.02.2020)