Die Landecker Prog-Rock-Band Klockwerk Orange hat es nie aus Tirol hinausgeschafft. Ihr Zutun, um Tirol offener werden zu lassen, war dennoch wichtig.

Foto: Sammlung Delago/Mathies

Innsbruck war für Henner Kröper 1973 die "toteste aller toten Hosen". Den deutschen Studenten hatte es 1969 dorthin verschlagen, der Uptown Jazz Saloon wurde zur zentralen Anlaufstelle für den Jazzfan. Werner Pirchner trat dort mit seiner Band Blutgruppe Null auf, doch 1973 schloss der Club seine Pforten. Im selben Jahr machte der als reaktionärer Tugendwächter aktive Innsbrucker Bischof Paulus Rusch der offenen Arbeit im Jugendzentrum MK ein Ende.

Vielleicht war es der hohe Leidensdruck im konservativen Tirol, der bei den wenigen Widerständigen besonders subversive Energie freisetzte. In dem von Werner Pirchner und Christian Berger 1974 im Auftrag des ORF produzierten Kurzfilm Der Untergang des Alpenlandes bekam ein breiteres Publikum sie zu sehen.

Progressive Rockmusik zum Trotz

Im heiligen Land war die Satire natürlich ein Skandal. Im selben Jahr gründete Student Kröper mit Kommilitonen einen Jazzclub in der Innsbrucker Altstadt. In den spärlich vorhandenen Probekellern trotzte man mit langem Haar und progressiver Rockmusik den Umständen. Mit zum Teil beachtlichem Erfolg: Die Innsbrucker Studentenband Isaiah kam beim Majorlabel CBS unter und trat bei den Österreich-Touren von Nazareth im Vorprogramm auf.

Noch tiefer in der Provinz, in der Bezirkshauptstadt Landeck, werkten Klockwerk Orange an ihrem Debüt. Die Band um Hermann Delago, Vater des Musikers Manu Delago, schaffte es zwar nie aus Tirol hinaus, ihr Album Abrakadabra gilt aber wie Isaiah als lange Zeit in Vergessenheit geratene Prog-Rock-Perle aus Tirol.

Freiheitsutopien

Ihre Wiederentdeckung ist das Verdienst des Musikjournalisten und passionierten Plattensammlers Albrecht Dornauer. Das von Dornauer und Maurice Munisch Kumar gegründete Subkulturarchiv hat sich der Aufarbeitung der Tiroler Underground-Kultur verschrieben.

Man leistete damit wertvolle Grundlagenarbeit für die Ausstellung und Publikation namens Widerstand und Wandel. Über die 1970er-Jahre in Tirol des Innsbrucker Architekturzentrums Aut. Gesellschaftliche, soziale und kulturelle Umbrüche, in Tirol oft mit Verspätung spürbar, werden hier vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen betrachtet. Das bedeutet: Freiheitsutopien, Anti-Atom-Bewegung, Gratisschulbuch und Fristenlösung treffen auf Olympische Winterspiele, Der Weiße Hai und Watergate auf Dalli Dalli und Córdoba, Wallnöfer trifft auf Kreisky und der wiederum auf die Eröffnung der Architekturfakultät in Innsbruck.

Die Zusammenschau von Regionalem und Globalem entlang einer durchs Ausstellungshaus gezogenen Synchronopse ist erhellend, es erfordert aber viel Muße, um sich auf diese Form des Geschichtsunterrichts einzulassen. Hilfreich ist das tolle Material, das das Aut für die Schau zusammengetragen hat. Etwa Oswald Oberhubers ätzende Olympia Seifenblasen oder das Plakat zu Marina Abramovic’ Performance Thomas Lips in der Innsbrucker Galerie von Ursula Krinzinger 1975.

Demokratiepolitisch relevant

Die Ausstellungstische sind vornehmlich der Architektur vorbehalten, wiewohl man keine reine Architekturschau habe machen wollen, wie Arno Ritter betont, der Leiter des Aut. Ihm gehe es darum, aufzuzeigen, dass viele demokratiepolitischen Errungenschaften keine Selbstverständlichkeit und ein sensibles Gut seien, das es zu verteidigen gelte.

Apropos: Fotografien von Josef Lackners 2018 zerstörtem Grottenbad Flora sind, an die Fensterfronten affichiert, als eine Art Mahnung weithin sichtbar. Über Bauten und Haltungen von Tiroler Architekten der 1970er-Jahre gelangt man nicht selten an Brennpunkte der Gegenwart – und so zu den spannendsten Momenten der Schau.

Über den Umgang mit Berg und Landschaft sagte etwa Jörg Streli, Jahrzehnte bevor die Wortschöpfung Gletscher-Ehe in aller Munde war: "Dort, wo der Berg nicht passt, wo die Landschaft im Wege steht, wird sie rücksichtslos korrigiert und den Forderungen des Massentourismus angepasst."

Das 1970er-Panorama ist breit – und was kam dann? 1982 wurde Felix Mitterers Stigma bei den Tiroler Volksschauspielen uraufgeführt. Die Stadt Hall lehnte die "Ansammlung von Schweinereien und Religionsverhöhnung" erbost ab. Andererseits: 1982 wurde das erste Tiroler Frauenhaus eröffnet, für das die neue Frauenbewegung in Tirol sich lange engagiert hatte. Und in Innsbruck entstand in den 1980er-Jahren erstmals eine freie Kulturszene mit Orten wie dem AKT oder dem Utopia. (Ivona Jelčić, 27.2.2020)