Foto: city slang

Wenn es einen Trend im zeitgenössischen Pop gibt, ist es jener der Lulu-Musik. Der Begriff hat sich zwar noch nicht durchgesetzt. Er liegt aber nahe, so penetrant lauwarm, wie viele Musik zurzeit daherplätschert. So als würden alle im selben Wellnesshotel ihre Heimstudios einrichten und dort, bei 28 Grad Raumtemperatur, denselben butterweichen Saftsack-Pop produzieren.

Kevin Parker wäre mit seinem Projekt Tame Impala so etwas wie die Speerspitze dieser Schlappis. Immerhin wird er für seinen stromlinienförmigen Soundtrack für Start-up-Cafés mit nie versiegenden Caffè-Latte-Brunnen fast ausnahmslos bejubelt. Auch das ist neu, dass man mit eingeschlafenen Füßen jetzt die Konzertsäle füllt. Dabei gibt es auch tolle Schlappsäcke.

08/15 zum Quadrat: Caribou.
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Etwa den zuletzt hier vorgestellten Briten Archy Marshall alias King Krule. Der ist wenigstens interessant beschädigt und macht daraus verwegene Musik.

Wieder eher dem Segment der zahnlosen Langweiler ist Dan Snaith zuzurechnen. Der 41-jährige Kanadier veröffentlicht als Caribou hübsch belanglose Musik. Elektronische Lulu-Musik mit Nichtstimme. Anlässlich des eben erschienenen Albums Suddenly und Songs wie Ravi muss man an singende Streifenhörnchen denken. An jene nervenden Nager, wie sie in der filmgewordenen Vorhölle Alvin and the Chipmunks vorkommen.

Klischee brutal

Caribous Musik erinnert an das Klischee des Elektroniktüftlers im Indie-Outfit. Ohne Anbindung ans richtige Leben vor sich hin produzieren, solipsistisch an irgendetwas schrecklich leiden, vereinsamt irgendetwas ersehnen, aber zu schlapp, um den Podex hochzukriegen.

Sehr wahrscheinlich tut man Snaith damit unrecht, der Mann hat ja beträchtlichen Erfolg mit seiner Mucke, dennoch: Auszuhalten ist sie in ihrer unerträglichen Seichtigkeit des Scheins nur schwer. Blutleere Melodien, eunuchenhaftes Gewinsel, elektronisch betupft. Lähmende Harmlosigkeit und Schablonen-Disco. Wie viel ergibt eigentlich 08/15 zum Quadrat?

Geht so, aber auch nur wegen eines gefladerten Samples: Home von Caribou / Gloria Branes.
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Allein einen Song kann man empfehlen, immerhin: Home heißt der. Home besticht mit einem Sample aus dem gleichnamigen Song der Soulsängerin Gloria Barnes. Einer weitgehend unbekannten Soul-Dame aus New York, die mit ihrem 1971 erschienenen einzigen Album Uptown die Connaisseurs speicheln lässt.

Anders als Caribous lähmendes und gähnendes Suddenly kann man dieses vor einigen Jahren wiederaufgelegte Werk uneingeschränkt empfehlen. Wäre das auch erledigt. (Karl Fluch, 26.2.2020)