Wien – Beunruhigte Schüler, ratlose Anrainer, fotografierende Schaulustige, Uniformierte vor einem Absperrband: Die Szenerie Mittwochvormittag an der Kreuzung Albertgasse / Josefstädter Straße in Wien-Josefstadt erinnert an einen Katastrophenfilm. Der Grund der Aufregung: Eine Lehrerin des BGRG Albertgasse hatte nach einem Italienaufenthalt Symptome entwickelt, die den Verdacht auf eine Covid-19-Erkrankung aufkommen ließen. Am Nachmittag dann die Entwarnung: Der Test der Pädagogin war negativ, was positiv ist.

Mehrere Stunden war ein Teil der Albertgasse in Wien-Josefstadt von der Polizei abgesperrt.
DER STANDARD

Der Polizeieinsatz – die Albertgasse wurde von der Exekutive abgesperrt, die Kinder rund vier Stunden in der Schule kaserniert – sorgt für politischen Wirbel. Laut Polizeisprecherin Irina Steirer sei die Aktion im Auftrag der Gesundheitsbehörde erfolgt. Laut Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sei die Anweisung hingegen aus dem Unterrichtsministerium gekommen – ohne die städtischen Behörden zu informieren. Es sei "ein bissl übertrieben", wenn auf Verdacht eine ganze Schule gesperrt werde. Solche Entscheidungen dürften nur auf Basis von Testergebnissen fallen, sagte Hacker.

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"Mit Maß und Ziel"

"Da hat offensichtlich der Generalsekretär im Unterrichtsministerium die eigene Botschaft 'Keine Panik' übersehen", meinte der Politiker. Es könne nicht sein, dass "panikhaft" Polizisten losgeschickt werden. Es gebe in Wien 700 Schulen und derzeit allein 13.000 Menschen mit gemeldeter Grippe, erklärte Hacker. Er wolle gar nicht hochrechnen, wie viele davon wahrscheinlich Lehrer oder Eltern sind. "Daher müssen die Maßnahmen, die wir in solchen Situationen setzen, immer mit Maß und Ziel erfolgen." Pikanterweise war die betroffene Lehrerin am Mittwoch gar nicht in der Schule, sondern war vorsorglich daheimgeblieben.

Auch der ÖVP-Bezirkspolitiker Karl Fiala rügte die mangelnde Information der Betroffenen. Vor Ort bei der Albertgasse konnte das ein Vater bestätigen: Seine 14-jährige Tochter, Schülerin des Gymnasiums, habe ihn weinend angerufen und gesagt, dass niemand die Klasse verlassen dürfe, nähere Auskünfte seien aber nicht erteilt worden.

Die großräumige Polizeisperre um die Wiener Schule in der Albertgasse.
Foto: Robert Newald

Unmut auch in Bad Kleinkirchheim

Unmut herrscht auch in Kärnten, nachdem der Tod einer italienischen Touristin als Coronavirus-Verdachtsfall kommuniziert worden ist. Der Bad Kleinkirchheimer Bürgermeister Matthias Krenn ist einigermaßen aufgebracht. "Schuld ist der Landespressedienst, diese Meldung hätte nie hinausgehen dürfen, zumal ja nicht einmal ein Verdacht bestanden hat", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Es sei vereinbart, dass nur tatsächliche Verdachtsfälle veröffentlicht werden. Jener Notarzt, der den Tod der Italienerin im Apartmenthaus festgestellt hatte, habe "lediglich gesagt, dass das Coronavirus nicht auszuschließen ist, aber kein konkreter Verdacht besteht".

In Innsbruck wurden in der Nacht auf Mittwoch die Angestellten und Gäste jenes Hotels auf eine mögliche Infektion mit Sars-CoV-2 getestet, in dem die 24-jährige Italienerin arbeitet, bei der das Virus nachgewiesen wurde. Sie und ihr ebenfalls infizierter Freund befinden sich weiter in der Innsbrucker Klinik. Es geht ihnen gesundheitlich gut, und sie können womöglich schon Ende der Woche das Spital verlassen. Die Sperre des Hotels wurde am Mittwoch wieder aufgehoben. Bis Mittwochabend lagen auch über 100 Testergebnisse aus Tirol vor, darunter jene aus dem Hotel. Sie alle waren negativ.

Infiziertes Pärchen war am Samstag auf Party

Die Tiroler Behörden haben mittlerweile auch bekanntgegeben, dass das Pärchen am Samstag erst mit der Hungerburgbahn und dann mit der Gondel auf die Nordkette bei Innsbruck gefahren ist. Später haben sie auch eine Party bei der dortigen Iglubar auf der Seegrube besucht. Personen, die am späten Samstagnachmittag ebenfalls dort aufhältig waren, können sich nun via Telefon-Hotline unter 0800 808030 melden. Eine Infektion sei aber sehr unwahrscheinlich, so die Landessanitätsdirektion.

Coronavirus: immer mehr Auswirkungen in Österreich.
Servus TV

International breitet sich der Erreger weiter aus. Die Weltgesundheitsorganisation gab am Mittwoch bekannt, dass erstmals mehr neue Fälle außerhalb Chinas gemeldet wurden als in der Volksrepublik selbst. Das am stärksten betroffene Land außerhalb Chinas ist Südkorea. In Europa liegt Italien mit bisher 400 nachgewiesenen Infizierten und zwölf Toten an der Spitze. (Steffen Arora, Michael Möseneder, Walter Müller, 26.2.2020)