Zumindest die ÖVP hält ihren ethischen Kurs. Was sie mit der FPÖ nicht ins Ziel gebracht hat, will sie nun mithilfe der Grünen schaffen: Mit einem Jahr Verspätung zwar, ab Herbst 2021, soll ein verpflichtender Ethikunterricht ab der neunten Schulstufe kommen – aber bitte nur für "Religionsabmelder" und Konfessionslose, quasi die Gottlosen, die vom rechten Glauben Abgefallenen. Wer nicht glauben will, muss Ethik machen.

Der verpflichtende Ethikunterricht für "Religionsabmelder" und Kinder ohne Religionsbekenntnis startet.
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Das ist ein absurd unterkomplexes Modell für eine hochkomplexe Gesellschaft, zumal in Zeiten radikaler Fragmentierung der Lebenswelten. Die führt allzu oft in digitale Filterblasen, in denen eine virtuelle Jüngerschaft Selbstanbetungsschleifen per Like dreht oder auch hasserfüllte Exklusionsbotschaften spinnt – oftmals gefährlich befeuert durch fanatisierte, religiöse Glaubensdoktrinen.

Rätselhaft bleibt das Ja der Grünen zu dieser Zwangsbelehrung für Nichtreligiöse. Dieses Ethikmodell unterstellt Defizite, die aus der Abwesenheit von Religion resultieren. Das ist ein Irrglaube: Es braucht keine Religionen, um tragfähige, ethische Grundlagen für das menschliche Zusammenleben zu formulieren. Die Geschichte zeigte oft genau das Gegenteil. Menschenrechte, Gleichberechtigung und liberale, säkulare Demokratie sind bessere, vor allem verlässlichere Werte. Wenngleich mühsamer, weil nicht bloß eine Glaubensfrage. Wo, wenn nicht in der Schule, sollten Kinder darüber streiten? Alle. Miteinander. Was sonst?! (Lisa Nimmervoll, 26.2.2020)