Das Fossil stammt von einer Echse aus der Gattung Anolis, aus der noch heute etliche Arten existieren.

Foto: Jonas Barthel

Fossilfunde in Bernstein sind keine Seltenheit und fördern manchmal Erstaunliches zutage: Seien es Läuse, die sich an Dinosauriern gelabt hatten, Meerestiere, die unter rätselhaften Umständen im fossilen Harz landeten oder sogar bislang völlig unbekannte Tiergruppen. Die neueste ungewöhnliche Entdeckung: Der winzige Vorderfuß einer Echse der Gattung Anolis, der vor 15 bis 20 Millionen Jahre in Bernstein konserviert wurde.

Wie Wissenschafter um Jonas Barthel von der Universität Bonn berichten, ist bei dem seltenen Fossil aus der Dominikanischen Republik jedes Detail erkennbar, doch scheinbar gute Erhaltungszustand trügt: Der Knochen habe sich weitgehend zersetzt und chemisch umgewandelt, von der ursprünglichen Struktur sei kaum etwas vorhanden, berichten die Forscher im Fachblatt "Plos One". Ihnen zufolge lässt sich an dem Fund gut untersuchen, was genau bei der Fossilisation passiert.

Doppelt gebrochen

"Wirbeltiereinschlüsse in Bernstein sind sehr selten, der Großteil sind Insektenfossilien", sagte Barthel. Die Forscher nutzten die Chance, um die Fossilisation des Fußfragments genauer zu untersuchen. Dazu nutzten die Forscher Dünnschnitte für die Mikroskopie. In der honigbraunen Bernsteinmasse sind die Krallen und Zehen sehr deutlich zu erkennen – fast so, als wäre erst das Baumharz erst kürzlich darauf getropft. Dabei ist der winzige Fuß etwa 15 bis 20 Millionen Jahre alt. Bei Untersuchungen mit einem Micro-Computertomografen zeigte sich, dass der Vorderfuß an zwei Stellen gebrochen ist. Ein Bruch ist von einer leichten Schwellung umgeben.

"Das ist ein Hinweis darauf, dass vielleicht ein Raubtier der Eidechse eine Verletzung zugefügt hat", so Barthel. Der andere Bruch ist nach der Einbettung des Fossils passiert – genau an der Stelle, wo sich durch den Bernstein ein kleiner Riss zieht.

Bernstein beschleunigte Abbauprozesse

Wie es um das Knochengewebe bestellt ist, zeigte sich bei der Analyse eines Dünnschliffs mit Raman-Spektroskopie. Das Mineral Hydroxyapatit in den Knochen hatte sich durch Eindringen von Fluor in Fluorapatit umgewandelt. Barthel: "Das ist erstaunlich, weil wir angenommen haben, dass der umgebende Bernstein das Fossil weitgehend vor Umwelteinflüssen schützt." Allerdings könnte der kleine Riss der chemischen Umwandlung Vorschub geleistet haben, indem sich dadurch mineralhaltige Lösungen ihren Weg gebahnt haben.

Die Raman-Spektroskopie ergab auch, dass Kollagen in den Knochen weitgehend abgebaut wurde. Die ursprüngliche Gewebestruktur war trotz des augenscheinlich sehr guten Erhaltungszustands kaum mehr vorhanden.

"Wir müssen damit rechnen, dass zumindest im Bernstein aus der Dominikanischen Republik keine Makromoleküle mehr nachweisbar sind", sagte Studienleiter Jes Rust. Normalerweise gelte Bernstein zwar als ideales Konservierungsmittel, die Überlieferung der Insektenwelt vor Jahrmillionen ist vor allem dem Baumharz zu verdanken. Doch beim Knochengewebe der Eidechse dürfte das Harz die Abbauvorgänge sogar noch beschleunigt haben. (red, 27.2.2020)