Mahnwache vor der Parlament.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Die Allianz "Gewaltfrei leben", ein Zusammenschluss von mehr als 40 Gewaltschutz-Organisationen, fordert eine Erhöhung des Gewaltschutz- und -präventionsbudgets auf 210 Millionen Euro. Nur so könnten zahlreiche Angebote wie die Frauenhelpline in ihrer derzeitigen Form aufrechterhalten werden, schlugen Vertreterinnen mehrerer Organisationen am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien Alarm.

"Die Regierung schreibt sich Gewaltschutz auf die Fahnen. Wir sehen Gewaltschutz dagegen finanziell am Minimum angelangt", warnte Sophie Hansal, Koordinatorin der Allianz "Gewaltfrei leben". Einige Mitgliederorganisationen hätten bereits über viele Jahre hinweg Schulden gemacht und würden nur noch durch die Selbstausbeutung ihrer Mitarbeiter ihre vielfältigen Angebote aufrechterhalten können. Das derzeitige jährliche Budget von zehn Millionen Euro für die Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen und zugleich Gleichstellungsmaßnahmen erlaube keinen flächendeckenden Zugang zu Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Hilfseinrichtungen, sagte Hansal. Auch könnten die für Österreich verpflichtenden Gewaltschutzmaßnahmen der unterzeichneten Istanbul-Konvention nicht eingehalten werden.

30 Prozent der Notrufe am Wochenende

Exemplarisch veranschaulicht wurde die Lage unter anderem am Beispiel der derzeit rund um die Uhr verfügbaren Frauenhelpline (0800-222-555). Seit 20 Jahren erhält diese 317.800 Euro jährlich vom Frauenministerium. Fehlende jährliche Indexanpassungen hätten jedoch zu einem Defizit von mittlerweile 72.000 Euro geführt, sagte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF). Schließlich müssten steigende Personalkosten, aber auch Miet- und Sachkosten abgedeckt werden.

"Erfolgt keine Aufstockung auf mindestens 400.000 Euro pro Jahr, dann ist der 24-Stunden-Betrieb nur noch bis Juni möglich", warnte Rösslhumer. 30 Prozent der Anrufe gehen am Wochenende ein, zehn Prozent in der Nacht. Folglich würde die Frauenhelpline wohl am Vormittag nicht länger besetzt sein, sagte die AÖF-Geschäftsführerin. "Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hat mir glaubhaft vermittelt, dass ihr die Frauenhelpline wichtig ist. Aber wir wissen bis jetzt nicht, wie hoch das kommende Budget sein wird und wie es sich verteilt", so Rösslhumer.

Auch in der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie fehlt es an Mitteln. "Wir betreuen im Durchschnitt 6.000 Opfer im Jahr. Derzeit haben wir fünfeinhalb Stunden pro Opfer zur Verfügung. Das reicht nicht aus", sagte die Geschäftsführerin Rosa Logar. Sie forderte eine Verdoppelung der Mittel für die Einrichtung, damit zumindest zehn Stunden pro Betroffener aufgewendet werden können. Ressourcen für Kinder, die Zeugen von Gewalt in der Familie wurden, sind dagegen überhaupt nicht vorhanden. "Wir können über 5.000 Kinder nicht unterstützen, obwohl wir Zugang zu ihnen hätten. Zumindest drei Personalstellen würden wir gerne finanzieren können", so Logar.

Mahnwache vor dem Parlament

Die von der Allianz "Gewaltfrei leben" geforderten 210 Millionen Euro würden nicht nur direkt zu den diversen Organisationen fließen, sondern auch in eine umfangreiche und langfristig angelegte Gesamtstrategie investiert werden, um Frauen und Kinder besser vor Gewalt zu schützen – den nationalen Aktionsplan gegen Gewalt. Auch sollten Gelder für Forschung, internationale Zusammenarbeit und eine technische Ausstattung von Gerichten zur Verfügung gestellt werden.

Bei einer Mahnwache vor dem Parlament untermauerten am Donnerstagvormittag mehrere Frauenorganisationen ihre Forderung für ein höheres Budget für den Gewaltschutz und wiesen auf die sechs Frauenmorde seit Jahresanfang hin. SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek forderte in einer Aussendung ein Sofortpaket von vier Millionen Euro und in einem weiteren Schritt eine massive Erhöhung des Frauenbudgets. "Dieses Geld hat der Finanzminister. Die Regierung darf nicht länger zuwarten", sagte Heinisch-Hosek.

Geplanten Neuausschreibung in Salzburg

AÖF-Geschäftsführerin Rösslhumer nahm auch zu der von der Salzburger Frauenlandesrätin Andrea Klambauer (NEOS) geplanten Neuausschreibung der beiden Frauenhäuser in Salzburg und Hallein Stellung. Diese käme einer "Zerschlagung der bestehenden Opferschutzeinrichtungen" gleich und wäre "sehr dramatisch". Die Ansicht von Klambauer, wonach das Konzept der Frauenhäuser in Salzburg nicht mehr zeitgemäß wäre, sei unverantwortlich, sagte Rösslhumer. Betroffene Frauen würden dadurch verunsichert. "Frauenhäuser sind lebensrettende Einrichtungen und müssen bestmöglich unterstützt werden. Sie dürfen nicht an Trägerorganisationen übergeben werden, die oft keine Ahnung von der Thematik haben", forderte sie. (APA, 27.02.2020)