In "Peripeteia" schickt John Akomfrah zwei afrikanische Wanderer durch Wind und Wetter.

Foto: Smoking Dogs Film

1508 zeichnete Albrecht Dürer einen Afrikaner, alles über ihn ist heute vergessen. 1521 entstand dann das Porträt einer Afrikanerin, nur ihren Namen kennt man noch: Katharina. Mit dieser Erklärung setzt John Akomfrahs Film Peripeteia ein. Die beiden werden nun 17 Minuten lang als einsame Wanderer eingemummelt durch Europas Frost stapfen.

Migrationsbewegungen, die Erfahrung der Diaspora sowie der Postkolonialismus ziehen sich als roter Faden durch die Arbeiten des 1957 in Accra geborenen Filmemachers. Drei davon sind derzeit in der Wiener Secession zu sehen. In langsamen Szenen zeichnet Peripeteia (2012) Bilder vom Ausgesetztsein zweier Menschen. Es drängt sich einem die Frage auf: Wie ist es ihnen sonst ergangen?

Möglichkeiten streut Akomfrah selbst in den Film ein, indem er ihn anregend mit Aufnahmen mittelalterlicher Gemälde verschneidet. Schwarze Figuren scheinen darauf etwa wie Dämonen weiße Körper zu erfassen. Während Dürer die beiden Afrikaner mit derselben Zuneigung zeichnete, die er auch anderen Porträts zuteilwerden ließ, sprechen diese Darstellungen eine andere Sprache. Aus späteren Zeiten blitzen ethnologische Fotos auf, auf denen sich etwa eine Afrikanerin einen Speer durchs Bein bohrt: voyeuristische Bilder von Exotismus.

Filmender Vorreiter

Akomfrah ist auch durch seine Biografie bedingt seit den 1980ern ein Vorreiter kolonialismuskritischen britischen Filmschaffens. Seine Eltern engagierten sich bereits in Ghana gegen den Kolonialismus, als er vier war, übersiedelte die Familie aus Sorge um ihre Sicherheit nach Großbritannien. Der Film Mnemosyne (2010) zeigt afrikanische Nachkriegsimmigranten u. a. im Londoner Winter.

John Akomfrahs assoziative Filmessays zeichnet der Mix aus eigens gedrehten Szenen und Material aus Dokus sowie historischen Aufnahmen aus, ergänzt um Einsprengsel klassischer Musik, europäischer Kunst, Literatur. Er befragt damit Erinnerung und kollektive Geschichtsschreibung.

2019 stelle Akomfrah im ghanaischen Pavillon auf der Biennale in Venedig aus, 2015 lief dort in der zentralen Schau Vertigo Sea: ein in der Secession auf drei Screens ausgerolltes Epos nicht nur über Migration. Im Fokus steht der Widerspruch von Naturbewunderung und -zerstörung. Waldbrände und industrialisierten Walfang konterkariert der Künstler 48 Minuten lang mit gigantisch schönen Sequenzen von Vogelschwärmen, Frühnebel oder rollenden Wellen. Brutal und betörend. (Michael Wurmitzer, 28.2.2020)