Suzi Q war eine der ersten Frauen, die den männlich dominierten Rock weiblich prägte.
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Als sie während des Songs 48 Crash ihr Hinterteil in Richtung Publikum streckte und damit zum ruppigen Rhythmus des Songs wackelte, erntete sie Szenenapplaus. "Einmalig!", formulierte jemand Zustimmung für so viel Body-Positivity der alten Schule. Die Dame, die ihre vom Hals bis zu den Stiefeln in Leder gepackte Rückseite kreisen ließ, heißt Suzi Quatro. Sie gilt als die First Lady des Cock-Rock. Ein seltsamer Titel, fürwahr, doch er ist eine Anerkennung für ihre Pionierarbeit, die Legionen von Frauen im Pop-Business Mut gemacht und sie zur Selbstermächtigung motiviert hat: Suzi Quatro war eine der ersten Frauen, die den männlich dominierten Rock weiblich prägte.

Der Song 48 Crash eröffnet Quatros Debütalbum von 1973. Es läutete eine Weltkarriere ein, die die mittlerweile 69-jährige Lederdame am Mittwoch nach Wien führte, Quatro spielte in der so gut wie ausverkauften (kleinen) Stadthalle.

Mopedrockers Feuchttraum

Dort saßen vornehmlich Zeitzeugen im Publikum. "Vor 40 Johr hots in da großen Halle g’spüt!", erfährt man ohne zu fragen von einem, der damals dabei war, heute aber zugibt, froh zu sein, dass er sitzen darf.

Doch bis Suzi Q, wie sie gerufen wird, ins für sie obligatorische Leder schlüpfte, dauerte es noch. Es fing vergleichsweise sittsam an: In Schlangenlederstiefeln und einem aus demselben Tier (eh nicht echt) geschnitzten Sakko begann die Frau mit ihrer sechsköpfigen Band ein gut zwei Stunden dauerndes Programm. The Wild One fungierte als programmatische Eröffnungsnummer, Q spielte den Bass und durchmaß damit rüstig und selbstironisch geschult die Bühne.

Quatros Musik ist meist ein schnörkelloser Rock ’n’ Roll klassischer Bauart, den sie in den 1970ern um jenen glamourösen Faktor anreicherte, den der prosperierende Glamrock jener Zeit modisch vorschrieb. Sie trug damals ihre zur Trademark gewordenen Overalls mit Reißverschluss bis in den Schritt und wirkte damit, als könnte sie in jedem Truck-Stop die dort an der Bar ins Bier weinenden Jungs unter den Tisch trinken. Oder zumindest rocken. Gleichzeitig wurde sie zum Postergirl für jeden anständigen Mopedrocker mit seinen unanständigen Gedanken.

Country-Schlager und Frauenpower

Das verhalf der aus Detroit stammenden Musikerin über ihre Wahlheimat England zu einer Weltkarriere, die 1978 einen für sie eher untypischen Welthit hervorbrachte: Im Duett mit Chris Norman von Smokie sang sie den Country-Schlager Stumblin’ In – im Konzert so etwas wie eine notwendige Pflicht, für die sich der Gitarrist in die Rolle des damals dauergewellten Norman einfühlte. Gefühlswallungen im Publikum, "supa Suzi!"

Doch Quatro ist kein reiner Nostalgie-Act. Ihre Reputation als starke Frau in einem harten Business inspirierte Kolleginnen wie Tina Weymouth von den Talking Heads, Joan Jett, Meg White von den White Stripes oder Chrissie Hynde von den Pretenders. Zwar lässt sie bis heute den Hintern kreisen, aber nur zu ihren Bedingungen. "Get out of my life", singt sie in Macho Man, einem Song ihres im Vorjahr erschienenen Albums No Control, und schickt einen Mistkerl mit angetäuschtem Stinkefinger zum Teufel.

"That was Scheiße"

Richtig Stimmung kam auf, als Suzi Keep On Rockin’ In the Free World von Neil Young coverte – wobei sie da mit dem Einsatz des Publikums zuerst nicht zufrieden war. Nachdem der Saal den Refrain trotz der Aufforderung mitzusingen, kaum hören ließ, sagte sie "That was Scheiße". Das motivierte, ab dann wurde brav mitgesungen, mit Suzi legt man sich besser nicht an.

Im zweiten Teil des Abends, im Lederteil, sang sie schließlich ihre Hits, jenen vom gefährlichen Glycerine Queen, Can The Can,If You Can’t Give Me Love und She’s in Love With You, das nicht zu gering an I Was Made For Lovin’ You erinnerte, die Disco-Wumme von Kiss von 1978. Der Saal brodelte nach seinen Verhältnissen. Und auch wenn es, wie man erneut ungefragt erfuhr, "vor 40 Johr" natürlich besser war. Schlecht war es heute nicht. (Karl Fluch, 28.2.2020)