Erwartungsgemäßer Jubel nach Symphoniker-Konzert unter der Leitung von Dirigent Lahav Shani im Musikverein.

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Erwartungshaltungen nicht zu entsprechen, ihnen zuwiderzuhandeln: Darum ging’s beim Konzert der Symphoniker und Lahav Shani im Musikverein. Stalin erwartete sich von Dmitri Schostakowitsch ein halbes Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Werk der heroischen Huldigung seiner selbst sowie des Sowjetvolkes. Schostakowitsch lieferte mit seiner Neunten aber eine luftig-leichte Petitesse, hinter deren klassizistischer Fassade der Krieg nur als Kinderspiel, als Faschingsscherz sein Unwesen treiben durfte. Stalin war not amused.

Es ist in Wien mittlerweile bekannt, dass Lahav Shani ein Dirigent der Extraklasse ist. Und so überraschte es kaum, dass die Symphoniker unter seiner Leitung hochsensibel, virtuos und topmotiviert agierten: wundervoll das Umschaltspiel zwischen hasenflinker Verteidigung und großspuriger Attacke im Stirnsatz. Im Moderato hätte der 31-Jährige den Holzbläsern mehr Ruhe und Versonnenheit gönnen können: So wurde die putzig-quirlige Neunte um ihr elegisch-menschliches Herzstück gebracht. Gleich danach, beim Presto, beeindruckte das Holz dann mit einem wirbelwindschnellen Beginn. In Summe gelang Shani eine präzise, pralle und pointierte Interpretation.

Atemlosigkeit und Verzweiflung

Die Erwartungshaltungen an ein spätromantisches Kingsize-Klavierkonzert unterlief Sergej Rachmaninow bei der Eröffnung seines dritten Werkes dieser Gattung: Fast beiläufig lässt er es beginnen, mit gedämpften Streichern in leise wiegendem Moll und einer schlichten, sich ewig fortspinnenden Klaviermelodie. Yefim Bronfman sinnierte hier und auch später coram publico, ließ altersweise Stimmungen der Wehmut anklingen: berührend etwa das zweite Thema in B-Dur. Bei der Kadenz (Bronfman wählte die erste, spektakuläre Fassung) gewährte er den in ihm schlummernden vulkanischen Energien Ausgang.

Bronfman, Spezialist für die schweren Brocken des Repertoires, griff im Intermezzo nie in den Schmalztiegel, frönte im Finale nie der Effekthascherei.

Die Zugabe, der Finalsatz aus Beethovens Appassionata, geriet etwas betulich: Atemlosigkeit und Verzweiflung misste man anfänglich. Erwartungsgemäßer Jubel am Ende. (Stefan Ender, 28.2.2020)