Hinterstoder – Ja freilich klingelt es bei Hannes Trinkl, wenn man ihn mit der Zeit von 1:38,74 Minuten konfrontiert. "Aber nur deswegen, weil mich die Leute immer wieder darauf ansprechen." Der Oberösterreicher schwelgt nicht gerne in Erinnerungen an seine Erfolge als Rennläufer. Dabei hätte der 52-Jährige allen Grund dazu, hat er doch bei der WM-Abfahrt 2001 in St. Anton das Kunststück geschafft, den damals dominierenden Herminator mit ebendieser Zeit zu bezwingen. "Aber in meinem jetzigen Leben hat sie keine Bedeutung mehr."

Trinkls Leben, früher schon intensiv, ist es jetzt erst recht.
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Trinkl ist ein ruhiger, garantiert nicht von Solarien gebräunter Naturbursch, der sich lieber mit Kollegen an die gemeinsam verbrachte Zeit erinnert, "eine intensive Zeit, die wesentlich präsenter als die Erfolge ist".

Vor und hinter Hermann Maier

Auf der Streif musste sich der damals 32-Jährige noch Hermann Maier geschlagen geben, verpasste den prestigeträchtigen Erfolg in Kitzbühel knapp. 18 Tage später schlug er als 33-Jähriger zurück und avancierte mit 0,2 Sekunden Vorsprung zum Abfahrtsweltmeister. 1998 hatte er in Nagano Olympiabronze in der Abfahrt geholt, insgesamt sechs Weltcuprennen entschied er für sich. Trinkl wirkt gut geerdet, wenn er sagt: "Wer abhebt, fällt auch weiter runter." Im Sport allgemein würden oft nur die Höhepunkte wahrgenommen. "Aber es gibt wesentlich mehr Täler, durch die man muss, sodass man irgendwann demütig wird."

Was Trinkl wichtig ist

Heute lebt der für Speedbewerbe zuständige Fis-Renndirektor, Waldbauer und dreifache Familienvater in einem Holzhaus bei St. Pankraz in Oberösterreich, sofern er nicht gerade unterwegs ist. Unweit von dort steigen dieser Tage in Hinterstoder ein Super-G am Samstag und am Sonntag der Ersatzriesentorlauf für Val d’Isère. Die Kombination am Freitag wurde witterungsbedingt abgesagt. Das Sturmtief Bianca war in der Nacht über das Stodertal gezogen und hatte eine Menge Neuschnee gebracht. Weil auch die Prognosen für den Tag mit weiteren Schneefällen und teils stürmischem Wind nicht gut waren, hat man sich früh morgens für eine Absage entschieden.

Trinkl verbringt viel Zeit auf den Weltcuppisten.
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Trinkl ist egal, dass die Rennstrecke nach ihm benannt ist, aber es freut ihn, wenn er für sein Tal etwas tun kann. "Wir schauen, dass wir den Weltcup halbwegs gut hinbringen und die Leute in der Region Arbeit haben."

Lange Arbeitstage

Sein Arbeitstag beginnt oft schon mitten in der Nacht, dauert auch einmal 18 Stunden. Ist viel zu tun wie zuletzt in Saalbach oder nun wegen schlechter Prognosen und stürmischer Bedingungen in Hinterstoder, steht er schon um drei oder halb vier auf der Piste, begibt sich nachts gelegentlich durchaus nervös in die Horizontale, wenn sich zum Stress auch noch Druck gesellt. "Saalbach war brutal zach, am Limit." Man habe versucht, das Maximum herauszuholen. "Wenn das Wetter nicht ganz mitspielt, wird es schwierig. Aber wir probieren es jeden Tag." In dieser Saison hatte er bisher nur zu Weihnachten und zum Jahreswechsel frei. "Es geht voll dahin. Der Winter ist kurz."

Im Sommer gibt es für Trinkl ein paar Wochen zum Entspannen, die er aber großteils für Waldarbeit nützt. Dann beginnt bereits die Vorbereitung auf die neue Saison mit Treffen und Gesprächen mit den Veranstaltern der Weltcuprennen. Etwaige Änderungen und neue Ideen werden geprüft und diskutiert. "Und wir hoffen, dass wir uns verbessern."

Trinkl bei suboptimalen Bedingungen in Saalbach im Einsatz.
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Während der Saison kümmert sich Trinkl um Pistenpräparierung, Sicherheit, Kommunikation mit der Jury und seinem Boss, Fis-Chefrenndirektor Markus Waldner. Laufend wird der Wetterbericht studiert, um abwägen zu können, ob es besser oder schlechter wird, ob man gleich starten oder zuwarten soll oder gar absagen muss.

Störgeräusche

Kritik gehört dazu wie die Butter aufs Brot. "An manchen Tagen können wir es nicht allen recht machen, aber wir probieren es zumindest. Das ist unser Job." Es sei manchmal schwierig zu entscheiden, ob es noch geht oder eben nicht mehr. Zu verbessern gebe es immer etwas. "Einmal gelingt es besser, einmal weniger gut. Das gehört vielleicht auch dazu."

Der Grat zwischen Spektakel und gefährlichem Rennen ist jedenfalls schmal. "Es soll halt nichts passieren. Auf einer vermeintlich leichten Abfahrt kann aber genauso etwas passieren wie bei einer schwierigen", sagt Trinkl. Wichtig sei der enge Kontakt zu den Athleten, Trainern und Veranstaltern.

Spiel mit der Welle

Das hohe Verletzungsrisiko beschäftigt auch ihn. "Das ist das wichtigste Thema überhaupt", sagt er. Man versucht, mit Kurssetzung und Präparierung entgegenzuwirken. Speziell bei flacheren Abschnitten könne man mit der Schaffung von längeren Wellen eine sanftere Abstimmung erzwingen, weil man mit aggressiverem Material dann nicht mehr ganz so schnell sei, erklärt Trinkl.

Es müsse aber mit den Läufern diskutiert werden, inwieweit etwas umsetzbar ist. Es brauche einen Konsens. "Wenn es nicht so komplex wäre, hätten wir längst eine Lösung. Wir versuchen, neue Wege zu finden, die Verletzungen in den Griff zu kriegen." (Thomas Hirner, 27.2.2020)