"Ein Muss für jeden Donauliebhaber" ist der hübsche Brunnen in Donaueschingen laut Tourismuswerbung. Auch wenn er sicher nicht die eigentliche Quelle des Stromes ist.

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Hinter der Martinskapelle in Furtwangen liegt die unscheinbare Quelle der Breg. Nach geographischen und hydrologischen Kriterien ist die Breg auch der Hauptstrang des oberen Donausystems. Man kann somit von der eigentlichen Donauquelle sprechen.

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Burg Werenwag liegt bereits am Oberlauf der "echten" Donau.

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Emsig werfen Touristen Münzen über die Schulter ins frisch entsprungene Wasser und fotografieren sich mit dem Handy im Fürstlich Fürstenbergischen Schlosspark von Donaueschingen. Hier rinnt angeblich die Donau "reinquillend aus den unerschöpflichen Röhren", wie es der deutsche Dichter Friedrich Hölderlin formulierte.

Dasselbe tun andere Reisende 30 Kilometer weiter nordwestlich bei der Martinskapelle nahe Furtwangen, und sie tun es – wie die Touristen in Donaueschingen – im Glauben, am wahren Ursprung von Europas zweitlängstem Strom nach der Wolga zu sein. Verwirrung im Schwarzwald: eine "Donauquelle" hier, eine "Donauquelle" dort, an beiden Orten mit zig Wegweisern ausgeschildert, über Jahrhunderte in Diskussionen und als Resümee des Lebenswerks vieler Wissenschafter immer wieder gegenteilig proklamiert.

Prächtige Quelle

Kreisrund und kunstvoll eingefasst ist das mächtige Quellbecken in Donaueschingen, in dem einst Prinzen und Baronessen gebadet haben sollen. Adolf Heer schuf 1896 die darüber thronende Figurengruppe der "Mutter Baar", die ihrer "Tochter", der jungen Donau, den Weg in die Ferne weist. Baar heißt die Hügellandschaft, in der Donaueschingen liegt. Die prächtig gestaltete Karstquelle bildet streng genommen aber nur den Ursprung des Donaubachs, der unterirdisch kanalisiert lediglich 100 Meter bis zum Rand des Schlossparks fließt, um in die Brigach zu münden. Die Mündung wird durch ein tempelähnliches Bauwerk markiert. Die Brigach vereinigt sich 1,4 Kilometer weiter östlich mit der Breg. Über Jahrzehnte wurde Schülern die Eselsbrücke eingebläut: "Brigach und Breg bringen die Donau zu Weg". Hätten sich alle an diesen Reim gehalten, wäre es für Touristen einfacher.

Nun aber nennen Touristiker Donaueschingen die "Stadt an der Donauquelle", an der "Quelle Europas", die "ein Muss für jeden Donauliebhaber" sei. Mithilfe von Historikern trieben sie alle möglichen Schriftstücke auf, sogar aus der Antike, um die Bedeutung des prunkvollen Quelltopfs des Donaubachs zu untermauern, beispielsweise folgenden "Beweis": "Der Geograph Strabon berichtet, wie Tiberius vom Bodensee gen Norden ritt und dort nach einer Tagesreise die Quellen der Donau fand". Dagegen bestätigte die Baden-Württembergische Landesregierung 1982, dass die Quelle in Donaueschingen "aus hydrologischer und geographischer Sicht sicher nicht die eigentliche Quelle der Donau ist".

Flussgott Danuvius

Die eigentliche Quelle könnte die Konkurrenz bei der Martinskapelle und dem Höhengasthof Kolmenhof in Furtwangen sein. Im Schatten mächtiger Bäume plätschert dort das Wasser empor und weckt ebenfalls antike Assoziationen. Seit 2017 wacht eine Bronzeskulptur des römischen Flussgottes Danuvius über "der einzig wahren Donauquelle", wie sie der Furtwanger Bürgermeister Josef Herdner nennt. Was hier quillt, ist allerdings die Breg, der längste und wasserreichste Zufluss der Donau in ihrem Ursprungsgebiet, der jedoch seinen eigenen Namen hat.

Hinter dem Zusammenfluss von Brigach und Breg verschwindet dann auch noch ein Teil des Donauwassers im Boden. An den Donauversickerung genannten Stellen bei Immendingen fällt das Flussbett jedes Jahr über Monate komplett trocken. Durch Spalten in Kalkfelsen dringt das Flusswasser zum 174 Meter tiefer und zwölf Kilometer weiter südlich gelegenen Aachtopf, von dort zum Bodensee und schließlich in den Rhein.

Burgen und Klöster

Weiter östlich hinter Mühlheim ist am Fuß der Schwäbischen Alb ein wildromantisches Tal entstanden, wo sich die Donau durch das Weißjura-Gestein gegraben hat und in großen Kurven abwärtsschwingt. Im Frühling umspielt frisches Buchengrün die hellen Felsen, an den Hängen blühen Kirschbäume zartrosarot und ein weißgelber Blütenteppich aus Löwenzahn und Gänseblümchen bedeckt die Uferflächen.

Das duftende Bett der Donau besang schon vor rund 750 Jahren Hugo von Werbenwag, ein Meister der Minne. Werenwag alias Werbenwag heißt auch eine der Burgen im Oberen Donautal, die kühn auf die hohen Felsspitzen genabelt wurden, "das kain aichhorn könt’ hinauf kommen", wie Hugo von Werbenwag anmerkte. Unten am Fluss stehen die barocken "Neubauten" des im 11. Jahrhundert gegründeten Klosters Beuron, das die Liturgie der Mönchsorden im Mittelalter maßgeblich beeinflusst hat.

Friedlich beim Kloster auf der Wiese liegend hört man, wie der Fluss leise plätschert und gluckst. Es ist die Donau, die von vielen Wassern gespeist wird – auch von dem der Breg, die ein eigener Radweg begleitet. Die 83 Kilometer lange Route Bregtal–Donauradweg führt ohne Touristenmassen von St. Georgen über die Quellen der Brigach, Elz und Breg am Quellfluss der Donau entlang bis Donaueschingen, wo der klassische Donauradeweg beginnt. Auf diesem geht es schließlich weiter zum Kloster Beuron, von wo der Blick folgt dem Lauf der Donau folgt, wie sie in schönen Schleifen ostwärts zieht, vorbei an Dörfern, Mühlen und Gehöften, hin zu den großen Städten, hin zum Schwarzen Meer. (Dietmar Scherf, 1.3.2020)