Die gebürtige Steirerin Lisz Hirn hält den Verwesern des Patriarchats einen glatt polierten Spiegel vor.

Foto: Heribert Corn

Superhelden horten nicht nur Unmengen an Muskelkraft. Besonders hohes Ansehen genießen Superman und Co. als fleischgewordene Speicher von Moral und Anstand. Ersonnen wurde die Figur des Katastrophenschützers vom Planeten Krypton vor ungefähr 80 Jahren zu dem Zweck, den nazideutschen "Übermenschen" mit möglichst attraktiven Widersachern zu konfrontieren.

Gleichwohl weisen hypermännliche Geschöpfe wie Superman eine Reihe schmerzlicher Strukturdefizite auf. Wie Philosophin Lisz Hirn in ihrer neuen, äußerst vergnüglich zu lesenden Schrift "Wer braucht Superhelden" dartut, wird souveräne Handlungsmacht mit bitteren Zurücksetzungen erkauft. Kerle wie Superman stecken ihre wohlgeformten Körper nicht nur in unwürdige Trikots. Sie entblößen vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine bis zur Lächerlichkeit geschrumpfte Männlichkeit.

Das Konzept von Hypermaskulinität entfaltet in unserer Gesellschaft schon deshalb Wirksamkeit, weil es auf Befunde stößt, die den Anfang vom Ende männlicher Selbstherrlichkeit ausrufen. Männer werden (und zwar häufig gegenüber Frauen) gewalttätig, weil die patriarchale Überlieferung voll ist von Beispielen unverhältnismäßiger Kraftmeierei.

Egalität muss her

Lisz Hirn wird nicht müde, in ihrem neuen Buch für eine grundlegende Umwälzung der Verständigungsverhältnisse zu werben. Parität gehört hergestellt, denn die ist Bestandteil komplizierter gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Egalität soll der Schlüssel sein. "Ich glaube nicht, dass die Natur der Frau von vornherein friedfertiger ist", sagt Hirn.

Tatsächlich sei sie von vornherein gegen jede Form der Naturalisierung. Aber männliche Gewaltmonopole gehören sukzessive aufgebrochen, und damit basta. Die Idee, Frauen zu Grundwehrdienerinnen zu machen, stößt bei der Konrad-Paul-Liessmann-Schülerin auf überraschend weit geöffnete Ohren.

Hirn gehört zu einer neuen Generation von Denkerinnen, die voller Selbstbewusstsein aus dem Fass des Diogenes herausgekrochen sind. Nur wer coram publico denkt, darf darauf hoffen, auf die Gesellschaft sanften Druck auszuüben. Lisz Hirn gebietet im persönlichen Gespräch über eine ehrfurchtgebietende Suada. Sie unterhält sich auf Symposien über angewandte Ethik. Sie ist Obfrau eines "Vereins für praxisnahe Philosophie". Sie fachsimpelt mit Vertretern des Magistrats über die Verwertungsgesetze der Konsumgesellschaft.

Die Mittdreißigerin Hirn ist: nicht Hans Dampf, sondern Johanna Dampf. Das tut in einer Gesellschaft, in der das emanzipatorische Wirken einer Johanna Dohnal wenigstens posthum gewürdigt wird, ausgesprochen gut.

Kein Zauber der Montur

Hirns Buch steckt voller kluger, kleiner, irritierender Einzelbeobachtungen. Sie sagt: "Können es sich emanzipierte Frauen, die eine Demokratisierung der Verhältnisse anstreben, wirklich leisten, sich in Sachen Militär die Hände nicht schmutzig zu machen?" Kasernen hat sie zu Recherchezwecken besucht. Für sie eine befremdliche Erfahrung: "Der Zauber der Montur war definitiv unwirksam."

Kein Geschlecht solle seinen eigenen "safe space" besetzt halten. Hirn sagt: "Wenn wir wollen, dass Männer öfter in Karenz gehen, müssen wir auch andere Felder öffnen und von jedem Anschein der Ungleichverteilung befreien." Vielleicht landen wir à la longue beim Zivildienst für alle?

Und so plädiert Lisz Hirn für behutsame Anwendungsprozesse von Vernunft. Staatliche Regulative können dann notwendig werden, wenn der Markt sein Gebot von Nachhaltigkeit auf die schmächtigen Schultern der Verbraucher abzuwälzen versucht.

Lisz Hirn ist keine Systemphilosophin. Lieber glaubt sie mit absoluter Gewissheit an die spielerische Vermittlung von Verstandesbegriffen. Sie ist überzeugt, den neoliberalen Kapitalismus zwar nicht umzukippen, aber doch empfindlich stören zu können: "Durch das Stellen von Fragen, die Algorithmen allein nicht beantworten können." Dafür quält sie sich sogar durch Heidegger-Schriften. Womit das A und O in Lisz Hirns Welt die Bildung ist. Denn: "Will man das Auto-Immunsystem gegenüber Fake News früh genug installieren, muss man bereits in der Volksschule damit beginnen." (Ronald Pohl, 29.2.2020)