Wien – Der 29. Februar ist ein besonderer Tag. Schließlich findet er nur alle vier Jahre statt. Grund genug für die Wiener Volkspartei bei ihrem 36. ordentlichen Landesparteitag nicht nur den anwesenden Bundeskanzler Sebastian Kurz und den Wiener Landesparteichef Gernot Blümel hervorzuheben. Auch ein anwesendes Geburtstagskind wurde vor den türkisen Vorhang geholt, beziehungsweise vor den rund 1.000 Unterstützern und Mitgliedern der Partei in der Wiener Metastadt explizit begrüßt. Für die ÖVP Wien war es am Samstag "Zeit, aufzubrechen. Für ein neues Wien" – der Aufbruch ging um 10 Uhr im 22. Bezirk los.

Der Landesparteiobmann der Wiener ÖVP, Gernot Blümel, ist am Samstag beim Landesparteitag mit 96,8 Prozent wiedergewählt worden. Er nannte dabei die Ablöse von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) als Ziel für die Wien-Wahl im Herbst, berichtet im ORF die "ZiB".
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Zu Beginn des Events gab es für die Unterstützer auch gleich eine kleine Statistik: Die ÖVP sei in Wien unter Blümel jünger und weiblicher geworden. 45 Prozent der Anwesenden seien Frauen, 25 Prozent unter 30 Jahre alt.

Blümel stellt sich Wiederwahl

Landesparteiobmann Blümel stellte sich am Samstag in der Metastadt der Wiederwahl, er erhielt 394 Stimmen und damit 96,8 Prozent. Auch über seine drei Stellvertreterinnen Margarete Kriz-Zwittkovits (98,5 Prozent), Veronika Mickel-Göttfert (97,8 Prozent) und Elisabeth Woschnagg (97,1 Prozent) wurde abgestimmt.

Blümel und seine Stellvertreterinnen Margarete Kriz-Zwittkovits, Veronika Mickel-Göttfert und Elisabeth Woschnagg (von links nach rechts).
Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Blümel übernahm 2015 die Landespartei. 2016 wurde er zum Chef gewählt. Damals erhielt Blümel 94,8 Prozent. "Vor vier Jahren waren wir im Museumsquartier, das gerade eine Baustelle war. Das war sehr passend, weil es damals vor allem um unsere eigene Baustelle – die ÖVP Wien – ging", erinnerte sich Blümel zurück. Bei seinem Antritt als Landesparteichef habe er erklärt, "das Einzige, was wir falsch machen können, ist zu wenig Mut für Veränderung zu zeigen". Genau das sei nicht eingetreten: So habe man es in den vergangenen Jahren geschafft, zur "kantigen Opposition" zu werden.

Parteien ohne Mut

Andere Parteien in Wien würden hingegen vorzeigen, wie es nicht geht, findet Blümel. Denn die FPÖ habe nach dem Ibiza-Video "den Überblick verloren, wer gerade wen klagt" und sei eine Partei geworden, die "keinen Halt aber viel Hinterhalt" habe.

Landesparteichef Gernot Blümel sieht die ÖVP in Wien als "kantige Opposition".
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In der Sozialdemokratie fehle hingegen der "Mut zur Veränderung". Daraus ergebe sich auch die Krise der Partei. "In Europa und auch in Wien", sagte Blümel. Das zeige sich an der Themensetzung der SPÖ und des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig, dessen Politik darin bestehe, den Herzerlbaum zu retten und die Patenschaft für ein Eisbärenkind zu übernehmen. "Die Sozialdemokraten suchen sich selbst irgendwo zwischen Eisenstadt und Wien, zwischen Sicherungshaft und Willkommenskultur", sagte Blümel. Zwischen dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Ludwig sei "so viel Platz, dass das ganze Parteienspektrum hineinpasst".

Zukunft des Mittelstandes und Mindestsicherung

Die "große soziale Frage unserer Zeit" sei die "Zukunft des Mittelstandes", erklärte Blümel in seiner rund 30-minütigen Rede. Es gehe um die Zukunft jener Menschen, die "sich an die Regeln halten und gleichzeitig Internetkonzerne sehen, die keine Steuern zahlen", um Menschen, die "nicht mehr stolz sein dürfen auf ihre Kultur", und um Menschen, die sich nicht mitgenommen fühlten.

"Es gibt viele Bereiche in Wien, wo es Verbesserungsbedarf gibt", betonte Blümel: Doch nichts sei "so brennend" wie die Themen Migration und Integration. Die ÖVP wolle, dass man "zumindest ordentlich Deutsch lernen" solle, bevor man die volle Höhe der Mindestsicherung erhält. Mit der Reform der Mindestsicherung unter der türkis-blauen Bundesregierung habe man das auch versucht. Doch die SPÖ klagte gegen das Gesetz beim Verfassungsgerichtshof. Und jetzt sei "das Problem noch immer da".

Der Wiener Weg bei der Mindestsicherung sorge dafür, dass die Hauptstadt "ein Magnet für Zuwanderer" sei. Und: "Der Zuzug aus Drittstaaten ist auch eine Herausforderung für die Gesellschaft: Viele Wienerinnen und Wiener fühlen sich in ihren Grätzln nicht mehr wohl", sagte Blümel.

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Blümel sei nach Wien zum Studieren gegangen, "nicht um als Grüner zurückzukehren", sagte er, sondern um "ein Türkiser zu bleiben". Er wolle nun in einem Wien leben, wo "nach 100 Jahren endlich ein Wechsel im Bürgermeisteramt möglich wird".

Kurz sieht "Aufbruchsphase" für Wien

Tosenden Applaus erhielt Kanzler Kurz, als er die Bühne erklomm. Kurz erklärte, dass er in den rund 15 Jahren, die er mittlerweile bei der ÖVP dabei sei, auch viele Wahlkämpfe in Wien miterleben musste. Die Ausgangslage sei meist nicht besonders befriedigend gewesen, so der Kanzler. Man habe immer gewusst, dass am Ende der Bürgermeister von der SPÖ gestellt würde. Man habe gedacht, so wie Niederösterreich immer schwarz bleiben würde, würde Wien immer rot bleiben. "Der Wahltag war nie ein so großer Grund zur Freude", erinnerte sich Kurz.

Kanzler Sebastian Kurz sieht einen günstigen Moment in der Bundeshauptstadt: "Mit Gernot Blümel ist diesmal Großes möglich."
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Doch jetzt sei man in Wien in einer "Aufbruchsphase" und "mit Gernot Blümel an der Spitze diesmal Großes möglich", war sich Kurz sicher: "Wir haben die historische Chance, deutlich an Stärke zu gewinnen und vielleicht auch die Mehrheitsverhältnisse in dieser Stadt zu verändern." Kurz sei begeistert darüber, zu erleben, wie in Wien die Zustimmung der ÖVP steige. "Wir sind in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Wir sind in Wien bei der Nationalratswahl auf den zweiten Platz gewandert und auch die Umfragen zeigen, es ist möglich, dass wir bei der Gemeinderatswahl vom vierten auf den zweiten Platz zurückspringen", freute sich Kurz.

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2019 sei für den Kanzler eine "emotionale Achterbahnfahrt" gewesen. "Wir hatten eine gut funktionierende Bundesregierung. Dann kam das Ibiza-Video und von einem Moment auf den anderen ist alles auf dem Kopf gestanden", erinnerte sich der Kanzler vor seinen Anhängern.

Türkis im Regenbogen

Mit dabei war auch Life-Ball-Organisator Gery Keszler. Wieso er beim Parteitag der ÖVP auftritt? "Weil Gernot mich angerufen hat und mich darum gebeten hat", erklärte Keszler in seiner Rede. Doch sein Herz sei regenbogenfärbig: "Da ist eben auch ein bisschen Türkis dabei", sagte Keszler. "Es gibt Herausforderungen, die neben sozialer Sicherheit für die Menschen wichtig sind." Entwarnung gab Keszler zu Beginn seiner Rede: Er werde hier keine Abrechnung mit der Vergangenheit und wegen nichtbezahlter Rechnungen machen. Es gehe darum, in die Zukunft zu blicken.

"Ich bin weder rechts noch links, ich bin in der Mitte, in meiner Mitte", sagte Keszler. Er glaube an die "Kraft der Veränderung" sowohl am politischen Parkett aber auch in der Gesellschaft. "Wer hätte sich noch vor einem halben Jahr gedacht, dass es eine türkis-grüne Bundesregierung gibt?", fragte Keszler. "Stillstand ist Rückschritt; deshalb ist die stetige Veränderung nötig, besonders für Stadt und Land."

Kanzler Sebastian Kurz und der Wiener ÖVP-Chef, Finanzminister Gernot Blümel am Landesparteitag der Wiener ÖVP.
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Das klare Motto des Tages war nicht nur auf Schildern, die das Organisationstram vorbereitet hatte, zu lesen, sondern auch auf den türkisen T-Shirts der Mitarbeiter: "Blümel für Wien." Bereits im Nationalratswahlkampf 2019 hatte die Volkspartei mit dem Slogan "Kurz für Österreich. Blümel für Wien" geworben. Und das mit Erfolg: Nachdem die ÖVP schon bei der Nationalratswahl 2017 in Wien ein Plus von mehr als sieben Prozentpunkten eingefahren hatte, gab es 2019 ein weiteres Plus von rund drei Prozentpunkte.

Antrag für türkises Wien

Neben der Wahl Blümels wird zudem der Leitantrag der Wiener ÖVP abgestimmt. Der Titel: "Mehr Türkis für Wien. Auch im Grätzl." Basierend auf den türkisen "Grätzldialogen" habe man "wertvolle Ideen und Vorschläge aus allen 23 Wiener Bezirken für eine Aufwertung der Grätzl zusammengetragen", sagte der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch vorab: "Die Menschen wollen Fortschritt, den sie spüren können und der bei ihnen in den Bezirken und Grätzln ankommt." Rund 900 Personen hätten an den Dialogen teilgenommen und ihre Ideen und Anliegen eingebracht, heißt es von der ÖVP Wien.

Die Themen, die die ÖVP Wien beschäftigen, sind etwa ein "Ende der Schuldenpolitik", die "Zuwanderung ins Sozialsystem zu stoppen", oder das Gesundheitssystem zu "professionalisieren", indem der Wiener Krankenanstaltenverbund ausgegliedert wird. Integration soll gefordert und gefördert werden.

Ein Thema, das Blümel als ehemaliger Kulturminister immer wieder auf die Agenda gesetzt hatte, war das Wiener Weltkulturerbe, beziehungsweise der Umgang der rot-grünen Stadtregierung mit diesem. "Wien muss seine historischen Kulturstätten schützen", heißt es daher auch in dem Antrag der Wiener ÖVP.

Wahl im Herbst

Im Herbst findet die Wiener Landtagswahl statt. Vor fünf Jahren, bei der Wahl im Jahr 2015, erreichte die ÖVP ihr historisch schlechtestes Ergebnis: Gerade einmal 9,2 Prozent stimmten für die damals noch Schwarzen.

Die erste Reihe beim Landesparteitag der Wiener ÖVP, von links nach rechts: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Gernot Blümel und Integrationsministerin Susanne Raab.
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Nun hofft sie mit Unterstützung der Bundespartei auf deutliche Zuwächse. Neben Bundeskanzler Kurz fanden sich auch mehrere ÖVP-Minister, darunter Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, Integrationsministerin Susanne Raab und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, wie auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, in der Donaustadt ein. (Oona Kroisleitner, 29.2.2020)