v.l.n.r.: Nato-Sekretär Jens Stoltenberg, Präsident Afghanistans, Ashraf Ghani, US-Verteidigungsminister Mark Esper bei einer Pressekonferenz in Kabul am Samstag.

Wakil KOHSAR / AFP

Doha/Kabul – US-Präsident Donald Trump will sich mit führenden Vertretern der radikalislamischen Taliban treffen. Dies werde "in nicht so ferner Zukunft" geschehen, sagte Trump am Samstag wenige Stunden nach der Unterzeichnung eines historischen Abkommens, das den Weg für einen dauerhaften Frieden in Afghanistan ebnen soll. Zugleich schränkte er in Bezug auf den geplanten US-Truppenrückzug ein: "Sollten schlimme Dinge passieren, werden wir zurückkehren."

Reduktion der Gewalt

Eine siebentägige "Reduktion der Gewalt" sollte zeigen, ob es für den Deal zwischen den Taliban und den USA eine ausreichende Basis gebe und ob die Radikalislamisten ihre Kämpfer ausreichend unter Kontrolle haben. Dies war die Vorausbedingung Washingtons für das Abkommen, über das bereits seit Juli 2018 verhandelt wird.

Am Samstag war es dann soweit: Die USA und die afghanischen Taliban haben ein historisches Abkommen unterzeichnet, das den Weg für den US-Truppenabzug aus dem Land ebnen soll. Die Vereinbarung wurde in der katarischen Hauptstadt Doha im Beisein von US-Außenminister Mike Pompeo unterzeichnet. Das Abkommen soll auch innerafghanische Friedensgespräche möglich machen, um den jahrelangen Krieg in dem Land zu beenden.

Komplettabzug in 14 Monaten

Die USA stellen einen Komplettabzug ihrer Truppen aus Afghanistan in Aussicht. Die Soldaten der Vereinigten Staaten und der NATO sollen binnen 14 Monaten das Land verlassen, wenn sich die radikalislamischen Taliban an ihre Zusagen halten. Das kündigten die Regierungen beider Länder in einer am Samstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung an.

Auf die Frage, wann der in dem am Samstag unterzeichneten Abkommen vorgesehene US-Truppenabzug beginnen werde, sagte Trump: "Heute. Sie werden sofort anfangen." Sollten die Taliban sich allerdings nicht an ihre Zusagen in dem Abkommen halten, würden die USA "mit einer Macht zurückkehren, wie sie noch nie jemand gesehen hat".

Die Taliban scheinen jedenfalls ihre Probewoche gemeistert zu haben, auch wenn es vereinzelt zu Zwischenfällen kam. So explodierte am Mittwoch in Kabul ein auf einem Motorrad befestigter Sprengsatz und verletzte neun Menschen. Die Taliban bestritten jedoch, an dem Anschlag beteiligt zu sein. In Summe war in der Woche ein massiver Gewaltrückgang zu verzeichnen.

Neubeginn

Mit der Unterzeichnung des Abkommens in Katars Hauptstadt Doha, wo die Taliban ihre politische Zentrale haben, soll eine neue Phase beginnen. Schrittweise sollen die USA ihre Truppen bis auf 8.600 Mann reduzieren. Gleichzeitig soll die "Gewaltreduktion" in einen unbegrenzten Waffenstillstand zwischen den Kontrahenten verlängert werden. Die Taliban garantieren weiters, in ihren Gebieten keine militanten Gruppen wie Al-Kaida oder den IS zu beherbergen. Dies wertet ihren politischen Status massiv auf, schließlich verdankten sie ihren Aufstieg nicht zuletzt der engen Partnerschaft mit Osama bin Ladens Al-Kaida-Terroristen.

Auf dem Plan steht auch ein Gefangenenaustausch. Rund tausend afghanische Sicherheitskräfte und Regierungsmitarbeiter halten die Taliban gefangen. Umgekehrt hat die afghanische Regierung mehr als fünftausend Talibankämpfer in ihren Gefängnissen. Deren Freilassung ist für die Taliban die Grundvoraussetzung, um mit Kabul in einen Dialog über die Beilegung des Konfliktes zu treten. Laut afghanischer Regierung habe Präsident Ashraf Ghani nicht zugesagt, 5000 Kämpfer der radikalislamischen Taliban aus den Gefängnissen zu entlassen.

Treffen in Doha

Noch am Freitag trafen sich Vertreter der afghanischen Regierung zu Gesprächen mit den Taliban in Doha. Schließlich sollen in der neuen Phase plangemäß nun innerhalb von zehn Tagen innerafghanische Friedensgespräche beginnen, um eine Aufteilung der Macht zu regeln.

Wie die Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen sind, war für die US-Verhandler wohl die schwierigste Frage. Ghani hatte zunächst gezögert, wie er mit der neuen Entwicklung umgehen solle. "Nun hat er aber erkannt, dass ein Treffen zu diesem Zeitpunkt entscheidend ist. Diese goldene Gelegenheit darf nicht verpasst werden", sagte ein Sprecher des Präsidentenbüros in Kabul.

Riskanter Deal

Für US-Präsident Trump kommt ein Friedensabkommen sehr gelegen. Dieses läßt sich in seinem Wahlkampf um das Weiße Haus gut vermarkten, schließlich ist der Afghanistankrieg mit 18 Jahren und vier Monaten mittlerweile die längste kriegerische Auseinandersetzung in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Der Deal birgt aber auch erhebliche Risiken. Bekanntlich hat die afghanische Kriegshistorie in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach gezeigt, wie rasch ein zartes Friedenspflänzchen dahinwelken kann. (Michael Vosatka, APA 29.2.2020)