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Menschen machten sich in der Türkei auf den Weg um zur griechischen Grenze zu gelangen.

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Die Grenze sei laut Griechenland aber bewacht.

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Die Menschen wollen den Grenzübergang bei Pazarakule erreichen.

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Dieser Mann hat sein Kind auf dem Arm und geht Richtung Griechenland.

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Edirne/Sofia/Brüssel – Nach der von der Türkei angekündigten Öffnung ihrer Grenzen Richtung EU sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 13.000 Menschen an der Grenze zu Griechenland angekommen. Tausende Menschen, darunter auch Familien mit kleinen Kindern, verbrächten eine kalte Nacht an der Grenze, teilte die Uno-Agentur am frühen Sonntagmorgen mit. Unter den Personen seien Syrer, Afghanen und Iraker, berichteten Journalisten der Nachrichtenagentur AFP.

Die Türkei ließ nach eigenen Angaben mehr als 75.000 Menschen die Grenze Richtung EU passieren. Bis Sonntag gegen 10.00 Uhr Ortszeit (08.00 Uhr MEZ) hätten 76.358 Menschen über die Provinz Edirne die Grenze passiert, teilte der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Sonntag via Twitter mit.

In der Provinz Edirne gibt es Grenzübergänge nach Griechenland und nach Bulgarien. Allerdings berichteten zunächst weder Sofia noch Athen über das Eintreffen größerer Zahlen von Menschen. Nach Angaben des Migrationsministeriums in Athen von Sonntag hinderte die griechische Polizei bisher 9600 Migranten daran, die Grenze zu überqueren. Zudem verstärkte das Land seine Einheiten an der Grenze. Der griechische Vize-Verteidigungsminister Alkibiades Stephanis sagte im Fernsehen: "Wir beschützen unsere Grenzen, wir beschützen Europas Grenzen."

Griechenland warf der Türkei vor, den Zustrom an Menschen an der gemeinsamen Grenze organisiert zu haben. Das erklärte der griechische Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos am Sonntag im griechischen Fernsehen. Laut dem griechischen Außenministerium bewege die Türkei Menschen mit falschen Informationen, nach Griechenland zu kommen.

Tränengas und Blendgranaten

Unterdessen sendet Griechenland Medienberichten zufolge eine SMS-Nachricht an Migranten, die sich auf der türkischen Seite der Grenze am Fluss Evros versammelt haben. "Versuchen Sie nicht, illegal die griechische Grenze zu passieren", heißt es darin.

Die griechische Grenzpolizei und Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei hatten am Freitag und Samstag Tränengas und Blendgranaten eingesetzt, um große Gruppen von Migranten daran zu hindern, über den bereits geschlossenen Grenzübergang bei Kastanies/Pazarkule aus der Türkei nach Griechenland zu kommen. Auch am Sonntag kam es zu ähnlichen Szenen wenn auch ohne die Härte der vergangenen Tage, berichteten übereinstimmend griechische Medien. Die Regierung in Athen hat wiederholt erklärt, Griechenland werde keine illegalen Grenzübertritte dulden.

Beobachtungen an der Grenze widersprechen Türkei

IOM-Mitarbeiter hätten entlang der 212 Kilometer langen Grenze zwischen der Türkei und Griechenland mindestens 13.000 Menschen beobachtet, die sich an Grenzübergängen in Gruppen von bis zu 3.000 Menschen versammelt hätten.

Der IOM-Einsatzleiter in der Türkei, Ladfo Gvilava, sagte: "Die Zahl der Menschen, die sich über Edirne in Richtung Grenze bewegten, nahm im Laufe des Tages zu, als Autos, Taxis und Busse aus Istanbul ankamen." Die meisten, die unterwegs seien, seien Männer. "Aber wir sehen auch viele Familien, die mit kleinen Kindern reisen." Die Organisation verteile Essen und Vorräte. In der Nacht fielen die Temperaturen auf fast null Grad und der Wind sei ziemlich stark.

3,6 Millionen Flüchtlinge in der Türkei

In einem Abkommen mit der EU von 2016 hatte sich Ankara verpflichtet, alle neu auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Die EU versprach im Gegenzug Milliardenhilfen, eine beschleunigte Visa-Erleichterung und die Modernisierung der Zollunion. Derzeit kämpft die Türkei in Syrien Seite an Seite mit teils islamistischen Rebellen gegen den mit Russland und dem Iran verbündeten Machthaber Bashar al-Assad und seine Truppen.

Die Kämpfe haben die Flucht weiterer Hunderttausender Menschen nach sich gezogen. Der Bürgerkrieg in Syrien hat vor neun Jahren begonnen. In der Türkei befinden sich knapp 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge.

Der ORF-Korrespondent Jörg Winter spricht aus Istanbul am Samstagabend.
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bestätigte, dass die Türkei keine Flüchtlinge mehr auf ihren Weg nach Europa abhalte und gesagt, man habe die Grenze für Menschen geöffnet. Seit Freitag machen sich zahlreiche Menschen in der Türkei auf den Weg zur Grenze und versuchen, in die EU zu gelangen.

Von der Leyen betrachtet Lage "mit Sorge"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht die Lage an den EU-Grenzen zur Türkei "mit Sorge". "In diesem Stadium ist es unsere höchste Priorität sicherzustellen, dass Griechenland und Bulgarien unsere ganze Unterstützung haben", schrieb sie am Samstag auf Twitter. Die EU-Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex sei in Bereitschaft. Die Außenminister der EU-Staaten wollen am Donnerstag bei einem informellen Treffen in Kroatiens Hauptstadt Zagreb über die Türkei beraten. Bulgarien stellte ein "großes Treffen" in Aussicht.

Nehammer kündigt Grenzmaßnahmen an

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte in einer Aussendung am Sonntag an, vorbereitenden Maßnahmen zum Grenzschutz zu treffen. Nehammer habe in Gesprächen mit mehreren Amtskollegen erneut betont, dass rasch gehandelt werden müsse und sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen dürfe. Am Samstag meldete sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit ähnlichen Worten in einer Aussendung.

Migrationsforscher fordert Verantwortung der EU

Nach Ansicht des österreichischen Migrationsforschers Gerald Knaus hätte die EU der Türkei schon vor Wochen zusagen müssen, sie in der Flüchtlingsfrage weiter zu unterstützen. Dieser politische Fehler könne noch korrigiert werden, sagte der Mit-Initiator des EU-Türkei-Abkommens am Samstag im Interview mit dem Deutschlandfunk. Außerdem forderte Knaus eine Konferenz, um darüber zu beraten, was mit den Menschen passieren soll, die jetzt aus Idlib kommen. "Da kann man nicht einfach sagen, das ist ein türkisches Problem und wir kümmern uns da nicht darum", so Knaus. (APA, red, 1.3.2020)