Rauch ist über dem Dorf Qaminas, sechs Kilometer von der Stadt Idlib entfernt, zu sehen.

Foto: APA / AFP / IBRAHIM YASOUF

Idlib/Ankara – Nach dem Tod von 33 türkischen Soldaten bei einem Luftangriff in der syrischen Provinz Idlib am Donnerstag hat die Türkei mehrere Vergeltungsangriffe gegen die syrische Armee durchgeführt. Im Zuge der "Operation Frühlingsschild" wurden nach türkischen Angaben in den vergangenen vier Tagen bereits mehrere militärische Ziele, acht Helikopter und mehr als 100 Panzer zerstört. Am Sonntag hat Ankara seine Militäroffensive weiter eskaliert: Ein syrischer Militärflughafen in der Nähe von Aleppo wurde unter Beschuss genommen und zwei Kampfflugzeuge der syrischen Armee abgeschossen.

Es handle sich dabei um zwei Flugzeuge des Typs SU-24 aus russischer Produktion, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Diese hätten Kampfjets der Türkei angegriffen, hieß es zur Begründung. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die syrische Staatsagentur Sana berichteten von dem Abschuss zweier syrischer Kampfflugzeuge in der Provinz Idlib. Die syrische Armee hatte zuvor einen Abschuss bestritten und erklärt: Statt des Flugzeugs sei eine türkische Drohne abgeschossen worden.

Auch das Verteidigungsministerium in Moskau wies die Berichte über einen Abschuss zurück. Es handle sich um Falschmeldungen. Die russischen Flugzeuge erfüllten ihre Aufgaben und seien in normalem Betrieb. Der syrische Präsident Bashar al-Assad wird im Bürgerkrieg von Russland unterstützt, die Türkei steht aufseiten der Rebellen. Man wolle aber keine Konfrontation mit Russland, hieß es auch am Sonntag wiederholt aus Ankara. Es gehe darum, das "Massaker" der syrischen Regierung zu beenden und eine neue Migrationswelle zu verhindern.

Syrien sperrt Luftraum

Der Luftraum über dem Nordwesten Syriens wurde angesichts der Vergeltungsangriffe am Sonntag von der Regierung in Damaskus gesperrt. Flugzeuge und Drohnen dürften insbesondere nicht mehr über Idlib fliegen. "Jedes Flugzeug, das unseren Luftraum verletzt, wird als feindlich eingestuft und abgeschossen", hieß es.

Über die genaue Zahl der Todesopfer durch die Angriffe herrschte am Sonntag Unklarheit. Laut dem türkischen Verteidigungsministerium seien in den vergangenen vier Tagen mehr als 2.000 syrische Soldaten "außer Gefecht gesetzt worden". Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte dagegen mit, dass insgesamt etwa 70 Soldaten der syrischen Regierung und deren verbündeter Milizen getötet worden seien.

Erdoğan: Syrien wird "Preis zahlen"

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte zuletzt scharfe Warnungen an Russland und Syrien gerichtet. In einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Freitag sagte er nach eigenen Angaben, Russland solle der Türkei in Syrien "aus dem Weg" gehen. Syrien wiederum drohte Erdoğan, dass es den "Preis zahlen" werde für den Tod der türkischen Soldaten. Er appellierte erneut an Russland, auf die syrische Regierung einzuwirken, damit diese die Angriffe einstelle.

Vierte türkische Offensive

Assad führt seit Ende vergangenen Jahres zusammen mit Russland eine Offensive in der letzten Hochburg der Assad-Gegner in Idlib. Dort sind vor allem islamistische und jihadistische Milizen aktiv, die teils von Ankara unterstützt werden – unter anderem, weil durch die Offensive von Assad die Zahl der syrischen Flüchtlingen in der Türkei weiter steigt. Nach UN-Angaben wurden seit Dezember fast eine Million Menschen durch die Kämpfe aus Idlib vertrieben.

Die Türkei hat zuvor schon drei Mal militärisch in Nordsyrien eingegriffen. Im Oktober hatte sie östlich des Flusses Euphrat eine international umstrittene Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG begonnen, die die Türkei als Terrororganisation ansieht. Russland als Schutzmacht Assads und die Türkei hatten sich anschließend darauf verständigt, nordsyrische Grenzgebiete zur Türkei gemeinsam zu kontrollieren. Die YPG sollte sich zudem aus dem Grenzgebiet zurückziehen.

Im Jahr 2016 hatte die Türkei mit der Offensive "Schutzschild Euphrat" in der Umgebung des syrischen Ortes Jarabulus den IS von der Grenze vertrieben, aber auch die Kurdenmiliz YPG bekämpft. Anfang 2018 hatte die türkische Armee mit von ihr unterstützten Rebellen in einer Offensive gegen die YPG die kurdisch geprägte syrische Grenzregion Afrin eingenommen. (APA, red, 1.3.2020)