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In der zunehmend eisfreien Arktis haben es männliche Eisbären immer häufiger auf Weibchen mit ihren Jungen abgesehen.

Foto: Reuters/Susanne Miller/US Fish and Wildlife Service

Moskau – Einen großen Teil ihres hohen Kalorienbedarfs decken Eisbären mit der Jagd auf Robben, die sie hauptsächlich auf dem Meereis jagen – oder besser gesagt: jagten. Denn mittlerweile macht das schwindenden Packeis dem größten Landraubtier der Erde das Leben von Jahr zu Jahr immer schwerer. Obwohl immer noch keine handfesten Daten zu den weltweiten Beständen vorliegen, weisen nach Ansicht der Forscher zahlreiche Indizien darauf hin, dass die Polarbären von den Folgen des Klimawandels gefährdet oder zumindest in ihrem Verhalten beeinflusst werden.

Jagd auf Weibchen mit Jungen

Das zeigt sich auch in einer aktuellen Beobachtung, von der russische Forscher nun berichten: Die Wissenschafter haben zahlreiche Fälle von Kannibalismus unter den Eisbären festgestellt. Es sei in den vergangenen Jahren häufiger wahrgenommen worden, dass die Tiere Artgenossen jagen und fressen, erklärt Ilja Mordwinzew vom Sewerzow-Institut für Umwelt- und Evolutionsprobleme der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Ob das ausschließlich mit dem Klimawandel zusammenhängt oder auch andere Faktoren eine Rolle spielen, ist jedoch vorerst noch unklar.

"In manchen Jahreszeiten mangelt es an Nahrung. Da greifen dann große Männchen Weibchen mit Jungen an." Weil das Nordpolarmeer immer länger eisfrei ist, gehen die Bären an Land auf Futtersuche. In den vergangenen Monaten gab es daher immer wieder Berichte, dass sich Eisbären menschlichen Siedlungen genähert oder diese sogar regelrecht gestürmt haben. So etwas komme immer häufiger vor, sagte Mordwinzew. Ein drastisches Video von einer solchen Jagd auf ein Bärenjunges hat National Geographic 2017 veröffentlicht.

Anpassung an neue Bedingungen

Nach seiner Einschätzung stellen sich die Bären auf die steigenden Temperaturen ein. "Die Tiere passen sich immer besser an die Bedingungen an." Es habe zwar schon früher Kannibalismus unter Eisbären gegeben, doch der derzeitige Anstieg gebe Anlass zur Sorge.

Die Zunahme der nachgewiesenen Fälle könnte auch noch einem weiteren Grund geschuldet sein, so die Forscher: Immer mehr Menschen leben in den polaren Regionen, das lässt auch die Anzahl der entsprechenden Beobachtungen ansteigen. Mordwinzew nannte in diesem Zusammenhang Öl- und Gasarbeiter sowie Soldaten. "Früher gab es in der Arktis nicht so viele Menschen, die Fälle von Kannibalismus aufzeichnen konnten. Nun kommen solche Hinweise nicht mehr nur von Forschern." Zahlen wurden nicht genannt.

Keine Opfer mit Erschöpfungssymptomen

Mordwinzew bezeichnete den Zustand der beobachteten Eisbären als gut. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeige, dass die Tiere im Sommer mittlerweile auf Pflanzen und Vogeleier als Nahrung umgestiegen seien. An den untersuchten Küsten und auf Inseln sei kein einziger toter Eisbär mit Erschöpfungssymptomen gefunden worden. (red, APA, 2.3.2020)