Ein Kreuzfahrtschiff verlässt das Baudock der Meyer-Werft im deutschen Papenburg.

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Arbeiter in Wenzhou haben ihre Arbeit wieder aufgenommen.

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Die weltweiten Lieferketten sind häufig unterbrochen, seit in China viele Produktionsstätten wegen des Coronavirus abgeriegelt wurden. Die Industrie im bevölkerungsreichsten Land der Welt ist fast zum Erliegen gekommen. Dass diese Entwicklung nicht ohne Spuren an der globalen Wirtschaft vorübergehen wird, ist Experten schon länger klar. Nun hat die Industriestaatenorganisation OECD konkrete Zahlen vorgelegt, wie stark das Wachstum durch das Virus beeinträchtigt wird.

Sollte sich die Lage nicht bessern und immer mehr Länder betroffen sein, könnte das weltweite Wachstum dieses Jahr auf etwa 1,5 Prozent halbiert werden, erklärte die OECD. "Es ist wichtig, dass die Regierungen jetzt unverzüglich handeln, um die Epidemie einzuschränken, die Gesundheitssysteme zu stützen, Bürgerinnen und Bürger zu schützen, die Nachfrage zu stärken und das finanzielle Überleben der am stärksten betroffenen Unternehmen und Haushalte zu garantieren", forderte Chefvolkswirtin Laurence Boone.

Moderateres Szenario

Allerdings führt die Organisation auch ein moderateres Szenario an, wenn sich die Ausbreitung des Virus bald eindämmen sollte. Demnach würde die Weltwirtschaft 2020 um 2,4 Prozent zulegen, nachdem es 2019 bereits vergleichsweise schwache 2,9 Prozent waren. Am stärksten wäre China betroffen, wo das Virus zuerst auftrat.

Dass Corona weit größere wirtschaftliche Folgen als Sars, das um das Jahr 2003 ausgebrochen war, haben dürfte, liegt weniger an den größeren Gesundheitsrisiken als vielmehr an der Bedeutung Chinas. Das Reich der Mitte nimmt heute eine ganz andere Stellung ein als vor 17 Jahren, wie die OECD deutlich macht. Das veranschaulicht sie anhand mehrerer Indikatoren. Der Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung ist seither von sechs auf 17 Prozent gestiegen. Was die Touristenströme anbelangt, wuchs Chinas Bedeutung von zwei auf neun Prozent. Die größte Bedeutung hat die Industrie des Landes, die für mehr als ein Fünftel der weltweiten Produktion steht. Zum Vergleich: 2002 lag der Anteil noch bei acht Prozent.

Rohstoff-Dominanz

Noch dramatischer stellt sich der Aufstieg dar, wenn man die Rolle Chinas in einzelnen Rohstoffbereichen heranzieht. Bei Nickel und Zink sorgt das Land für mehr als 40 Prozent der internationalen Nachfrage, bei Aluminium und Kupfer sind es mehr als die Hälfte. Diese Veränderungen sorgen auch für eine deutlich größere Ansteckung der Weltwirtschaft, wenn China hustet.

Dazu kommt, dass chinesische Vorprodukte aus der globalen Wertschöpfungskette nicht wegzudenken sind. Als Beispiele nennt die OECD Elektronik, Computer, Pharma und Transportausrüstung. Während Chinas Bedeutung als Zulieferland zunahm, schrumpften die Vorräte: "Lean" oder "schlank" heißt das Zauberwort, mit dem Lagerbestände und somit Kosten reduziert wurden. Dazu kommen die sofortigen Auswirkungen im Reisegeschäft. Im Februar schrumpften die Ankünfte in China um 95 Prozent, schreibt die Industriestaaten-Organisation in ihrem Zwischenbericht mit Schwerpunkt Coronavirus.


Die Konjunkturschwäche hat nun zu einiger Betriebsamkeit bei Wirtschaftspolitikern und Notenbankern geführt. Beispielsweise auf Ebene der sieben größten Industriestaaten (G7): "Es wird eine konzertierte Aktion geben", kündigte der französische Finanzminister Bruno Le Maire an. Er habe bereits am Sonntag mit US-Finanzminister Steven Mnuchin gesprochen, der den G7-Vorsitz innehat.

Die Zentralbanken signalisierten ebenfalls ihre Bereitschaft, aktiv zu werden. Die internationalen Partner würden dabei zusammenarbeiten, sagte etwa ein Sprecher der Bank of England laut Reuters. Dadurch solle sichergestellt werden, "dass alle notwendigen Schritte zum Schutz der Finanz- und Währungsstabilität unternommen werden". Ähnlich hatte sich zuvor die japanische Zentralbank geäußert. Investoren am europäischen Geldmarkt rechnen wegen des sich ausbreitenden Coronavirus inzwischen fest mit einer Zinssenkung der EZB im April. Auch die US-Notenbank Fed dürfte die Leitzinsen weiter senken, meinen Insider. (as, 2.3.2020)