Im Gastkommentar repliziert Motorjournalist Franz J. Sauer auf Ruth Fartaceks Blogbeitrag.

Der Engländer würde sagen: That escalated quickly. In relativ kurzer Zeit hat sich der Autofahrer vom eher leidenschaftslosen Reibebaum der innerstädtischen Radfahrer zum handfesten Schwerverbrecher mit Generalverantwortung für alle Widernisse des Straßenverkehrs zuzüglich Umweltverschmutzung und Treibhauseffekt gemausert. Noch dazu zum willenlosen, wie es scheint. Weil ihn ja erst die Automobilwerbung zu einem solchen gemacht hat, so der jüngste Tenor im Kampf gegen das Böse in Blechgestalt.

Der böse SUV als Pars pro toto

Doch schön der Reihe nach. Das Auto, und hier besonders der SUV, steht nicht erst seit Greta Thunberg im Fokus der negativen Energie. Es ist schon länger als Projektionsfläche für alles und jedes wohlfeil, das man dem Auto bei entsprechend schlechtem Willen vorwerfen mag. Es wird hier zuhauf wegen Eigenschaften vom edlen Sitzleder gezogen, die der SUV zwar mitunter mitführt, die ihn aber kaum ausmachen.

Nicht jeder SUV etwa hat übermäßig PS unter der Haube, ein Gutteil der in der Zulassungsstatistik vermerkten hat gerade einmal dreistellig Pferde im Stall. Nicht jeder SUV hat mehr als zwei Tonnen, viele der Stadtkraxler treten erstaunlich leichtfüßig auf. Und die wenigsten SUVs brauchen mehr Platz als ein Pkw der jeweils vergleichbaren Klasse, einzig höher ist er zumeist qua Bauart. Womit gleich auch das wichtigste Verkaufsargument für die Hochstelzer ausgemacht wäre: das Platzangebot.

Leichteres Einsteigen, mehr Kopffreiheit, bessere Übersicht sowie mehr Platz auf den Rücksitzen und im Kofferraum. Nicht umsonst lief der SUV dem einst so beliebten Minivan den Rang in den Statistiken ab. Und nein, Familie Beranek von Stiege 16 mit den zwei Teenagern und dem großen Hund, der stets auf den mehrwöchigen Zelturlaub mitfährt, ist nicht zwingend jener Kohorte an Rap-Musikanten zuzuordnen, die Automobile in ganz stark, ganz groß und ganz schwarz vor allem deshalb gern in Musikvideos umtanzt, weil es ihrem Image entspricht.

Auf in den K(r)ampf

Der Erfolg des Autos ist freilich ein Dorn im Auge von Leuten wie der Klimagerechtigkeitsaktivistin Ruth Fartacek, was ihr redaktionellen Platz in Qualitätsmedien verschafft. Kurzfassung: Autos versauen nicht nur die Umwelt, sondern auch gleich das Straßenbild, kosten außerdem die Allgemeinheit Millionen, sind also nichts als ein Irrtum der Geschichte und somit ein schnell zu korrigierender Fehler, der überhaupt erst nur passieren konnte, weil die Werbung uns die letzten 100 Jahre über verseucht hat.

Dass Autos und speziell SUVs ob ihrer Praktikabilität beliebt sind, passt nicht ins entsprechende Weltbild und kann daher auch nicht sein. Wie einst bei den Zigaretten sorgt auch bei den Autos nur die Werbung dafür, dass sie "mit Freiheit, Lifestyle, Spaß und Männlichkeit assoziiert werden". Und nur durch "Werbung wurde das Auto emotional mit Mobilität gleichgesetzt". Aber: "Je mehr die Klimakrise jedoch eskaliert, desto brüchiger wird dieser Konsens, insbesondere dort, wo bereits massentaugliche Alternativen zum Auto bestehen – etwa in Wien".

Abenteuerliche Zahlenspiele

Wer hier nun still einwendet, dass der eine oder andere Autos generell ganz kleidsam für ein modernes Stadtbild findet, diese zudem in gewissen Situationen doch gewisse Vorteile zu bieten haben, wird mit Zahlen bombardiert. Jener "bröckelnde Konsens" wird nämlich auch noch vom Staat subventioniert, nämlich mit "mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr". Eine Zahl, die recht unreflektiert aus einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Klima- und Energiefonds gezogen wird. Liest man diese Studie aufmerksam, wird offenbar, dass jene Summe fast zur Hälfte (640 Millionen Euro) aus dem sogenannten "Dieselprivileg" besteht, das der Landwirtschaft dient und derzeit (noch) nicht einmal von den Grünen angesägt wird.

Ein weiteres Drittel (540 Millionen Euro) besteht aus der ebenfalls bis auf weiteres sakrosankten Pendlerpauschale. Die bekanntlich dort greift, wo der stets hochgelobte öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) derzeit und auch bis auf weiteres keine brauchbare Alternative zum Auto darstellt. Verbleiben auf den Gesamtbetrag von 1.490 Millionen Euro noch 225 Millionen aus der "Pauschalen Dienstwagenbesteuerung", oder eigentlich aus "Annahmen über die Anzahl der Dienstwagen mit Privatnutzung", sowie 85 Millionen aus "Steuerbegünstigungen im Rahmen der Normverbrauchsabgabe, Kraftfahrzeug-/ Versicherungssteuergesetz, Fiskal-Lkw", wo Österreich im EU-Vergleich schon vor Jahren die unternehmerunfreundlichsten Regelungen in Gesetze gegossen hat.

Schaut man noch genauer in die Studie, stellt sich heraus: Die Dieselprivilegsmillionen wurden im Zeitraum 2010 bis 2013 berechnet, geben also einen Dreijahreswert wieder, die Pendlerpauschale bildet überhaupt den Wert von 2010 bis 2014 ab. Die Höhe der Dienstwagenbesteuerungssubvention stammt aus dem Jahr 2012, jene der übrigen Steuerbegünstigungen aus dem Jahr 2013, beides also aus einer Zeit, seit der vom Gesetzgeber massiv nachgeschärft wurde, was in der Studie sogar als Fußnote vermerkt wird.

Also wie jetzt? Wie viel wird nun tatsächlich jährlich subventioniert? Und geht's nun um Wien oder doch um ganz Österreich? Ähnlich salopp werden im Blogbeitrag auch jene 500 Milliarden Euro errechnet, die Autos angeblich jedes Jahr in der EU verursachen. Dabei werden "Umweltzerstörung" (inklusive "Grundsteuerbefreiung von Verkehrsflächen", die sich nicht einmal die zitierte Studie zu quantifizieren getraut), "Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung" und "Verkehrsunfälle" in einen Topf geworfen.

Es scheint, als wäre der einzig nachvollziehbare Wert von Ruth Fartacek bloß jener der 150 Millionen Euro (exakt sind es 159 Millionen Euro), die 2019 in Autowerbung geflossen sind. Noch dazu dem aktuellen Zeitgeist entsprechend großteils in die Promotion von E-Autos der verschiedensten Ausformungen.

Hybride Zukunft

Nein, das Elektroauto wird das klassische Auto, also jenes mit Verbrennungsmotor, nicht in absehbarer Zeit vollständig ersetzen. Dagegen sprechen gleich mehrere Gründe. Die Infrastruktur fürs Aufladen fehlt beziehungsweise matcht sie noch nicht mit den Reichweiten der Akkumulatoren. Die Produktionskapazitäten fehlen ebenso. Und auch das Modellangebot der Hersteller reicht noch nicht aus, um das Gesamtautoaufgebot (inklusive Taxis, Behörden- und Einsatzfahrzeugen, die in den Anteils-Prozentsätzen zum CO2-Ausstoß übrigens immer satt miteingerechnet werden) zu substituieren.

Klar ist allerdings, dass die Autoindustrie in den letzten 20 Jahren in puncto Abgasreduktion mehr weitergebracht hat als jeder andere Industriezweig, der sich fossiler, also CO2-ausstoßender Technologien bedient, folgerichtig aufgrund von sinnvollen Grenzwertreduktionen seitens der jeweiligen Regierungen, Stichwort Euro 1 bis Euro 6d-Temp. Auch die vermeintlich euphorische Hinwendung der Autobauer zum E-Antrieb ist eine Folge von Zwang, konkret der Verpflichtung zur Verringerung des Flottenverbrauchs.

Als angenehmer Nebeneffekt dieser Stoßrichtung sprießen nun hochintelligente Hybridantriebssysteme geradezu aus dem Boden. Hybridautos mit Stecker haben aktuell fast alle Hersteller im Programm. Sie packen jene Zwitterantriebe in SUVs, in Limousinen, Sportwagen und sogar in Lastautos. Dabei werden auf effiziente Art und Weise die Stärken des Verbrenners (wenig Verbrauch bei konstanter Drehzahl, also auf der Autobahn oder Überland, plus die Fähigkeit, als Generator zu fungieren) mit den Stärken des E-Motors (wenig Stromverbrauch sowie komfortables, weil leises und emissionsfreies Fortbewegen dort, wo sich Lärm und Abgase kulminieren, also in der Stadt) kombiniert. Das durchwegs begrüßenswerte Ergebnis sind sensationell gesunkene Durchschnittsverbräuche auf der Verbrennerseite und börselsparende Stromverbräuche bei intelligenter Ladetätigkeit.

Energiewende? Ja, bitte!

Jeder mitdenkende Autofreund wird nicht gegen Klimaschutz und die sich daraus ergebenden Veränderungen des höchstpersönlichen Mobilitätsbewusstseins einwenden. Schließlich will er auch künftig einen funktionierenden Planeten vorfinden, auf dem er sein Auto von A nach B und auch wieder zurücklenken kann. Also lasst uns diskutieren. Aber bitte auf Basis von faktischen Erkenntnissen und nicht befeuert von Befindlichkeiten und naivem Wunschdenken, das eigene Weltbild als das einzig gültige zu manifestieren. Sonst müsste man nämlich auch Aktivistinnen und Aktivisten wie Ruth Fartacek vorwerfen, per Werbung dafür zu sorgen, dass Autofahren emotional mit etwas gleichgesetzt wird: diesfalls statt Freiheit mit einem Schwerverbrechen. (Franz J. Sauer, 4.3.2020)