Freund des Elevate: der Träger des Alternativen Nobelpreises, Nnimmo Bassey. Er spricht heuer zum zweiten Mal bei der Eröffnung.

Foto: Johanna Lamprecht

Ein bisschen verschmitzt lacht Daniel Erlacher schon, wenn man ihn auf Pamela Anderson anspricht. Voriges Jahr war dem Leiter des Diskursprogramms des Elevate-Festivals ein kleiner Coup gelungen. Anderson war zwar nach Graz gekommen, um über ihre Erfahrungen als Aktivistin zu sprechen, aber natürlich haftet ihr immer noch genug Badenixen-Glamour an, um sie zum idealen Zugpferd für oft als unzugänglich oder gar weltfremd empfundene Diskursveranstaltungen zu machen. Es war eine neue Erfahrung für Erlacher, mit einem Star zu tun zu haben und zum ersten Mal Autogrammjäger abwimmeln zu müssen.

Es wäre aber falsch, die Aktion als reinen PR-Gag abzutun. Anderson übt sich bereits seit den 90ern im politischen Aktivismus, zuerst als Tierrechtlerin, zuletzt als Unterstützerin der Gelbwesten, und nutzt ihre Prominenz, um Aufmerksamkeit zu generieren. So auch Jane Fonda, die sich im Rahmen ihrer Proteste gegen die Klimapolitik unter der Trump-Administration immer wieder verhaften lässt. Erlacher hätte sie heuer gern in Graz begrüßt, aus terminlichen Gründen wurde es nichts. Die Richtung ist klar: Beim Elevate gibt es keine Berührungsängste mit ein bisschen Glitzer.

Alleinstellungsmerkmal Gespräch

Selbst wenn Hollywood heuer nicht vertreten sein wird, war und ist Breitenwirksamkeit ohne Scheu vor Kontroversen bei der Themensetzung wichtig. Bereits im ersten Jahr kam mit Wikipedia-Gründer Jimmy Wales ein namhafter Speaker nach Graz, 2018 polarisierte die Einladung von Julian Assange, der via Livestream die Eröffnungsrede hielt.

Als das Herzstück des Elevate-Festivals gilt eigentlich die elektronische Musik, doch verrät schon sein Untertitel – Festival for Music, Arts and Political Discourse – sein eigentliches Alleinstellungsmerkmal. So gut wie jedes Festival schmückt sich mit Paneldiskussionen und Wissensvermittlung; beim Elevate war der Diskurs aber nie Add-on zum "eigentlichen Programm", sondern vielleicht seine große Stärke. In Österreich gibt es kaum ein anderes Festival, dessen Diskursprogramm, das in weiten Teilen bei freiem Eintritt besucht werden kann, sich mit jenem des Elevate messen kann.

Diskurs am Dancefloor

Das hat mit der Genese des Festivals zu tun. Bereits 2003 trafen im Rahmen einer Exit-Space-Veranstaltung in der Grazer Postgarage Musik und politischer Diskurs aufeinander. "Da standen dann 100 Leute bei einer Debatte auf dem Dancefloor", erzählt Erlacher. Als das daraus resultierende Festival unter dem Namen Elevate gegründet wurde, war klar, dass der Diskursteil zentral bleiben müsse.

Es sollte trotzdem noch drei Jahre dauern, bis Journalisten zuerst nach dem Festivalthema (heuer lautet es Human Nature) und erst dann nach dem musikalischen Line-up fragen sollten. Davon, dass man sich ein gesprächsaffines Publikum auch über die Jahre erziehen müsse, ist Erlacher überzeugt. Als Belohnung kann es dann auch ungewöhnlich emotional werden. "Wenn die Leute nach einer Paneldiskussion nicht nur klatschen, sondern jubeln wie nach einem Konzert, ist das etwas sehr Besonderes."

Quo vadis, Menschlichkeit?

Das Elevate will nicht darüber diskutieren lassen, "was alles scheiße ist", sondern motivieren, selbst aktiv(istisch) zu werden. Die Speakerinnen nehmen dabei eine Vorbildwirkung ein, ohne dass das Ganze nach "Inspirationsökonomie" der Marke TEDx riecht.

Wohin die Menschheit und damit die Menschlichkeit geht, wird heuer unter dem Motto Human Nature diskutiert. Zur Eröffnung kommen zwei ganz junge Speakerinnen: die Initiatorin der nigerianischen Fridays-for-Future-Bewegung, Adnike Oladosu, und die kenianische Klimaaktivistin Elizabeth Wathuti. Insgesamt werden mehr als 50 internationale Gäste das Diskursprogramm bestreiten. Und: Musik und Kunst gibt es ja auch noch. (Amira Ben Saoud, 3.3.2020)