In diesem Saal wird über den britischen EU-Austritt verhandelt.

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Brüssel – Unter großem Zeitdruck und mit viel Streitpotenzial haben die Europäische Union und Großbritannien am Montag die Verhandlungen über ihre künftigen Beziehungen begonnen. Ziel ist ein umfassendes Handels- und Partnerschaftsabkommen. Der EU-Unterhändler Michel Barnier und der britische Verhandlungsführer David Frost kamen am Nachmittag erstmals in Brüssel zusammen.

Diplomaten gehen von schwierigen Gesprächen aus. Diese sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, was bereits als sehr ambitioniert gilt, weil nach dem Brexit zahlreiche Fragen neu festzulegen sind und beide Seiten nach ersten Äußerungen ziemlich weit auseinanderliegen.

Großbritannien war am 31. Jänner aus der EU ausgetreten. In einer Übergangsphase bis Jahresende bleibt das Land noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. In dieser Zeit soll insbesondere ein Handelsabkommen vereinbart werden.

Abwechselnd in Brüssel und London

Die erste Verhandlungsrunde läuft bis Donnerstag. Barnier hat bis Oktober eine ganze Reihe solcher Runden geplant, die abwechselnd in Brüssel und London stattfinden sollen. Die Regierung in London hat den Druck zuletzt noch einmal erhöht und damit gedroht, die Gespräche im Juni abzubrechen, sollte es bis dahin nicht deutlich Fortschritte geben.

Die EU stellt London ein Freihandelsabkommen ohne Zölle in Aussicht, verlangt aber Garantien gegen Sozial-, Umwelt- und Steuerdumping. Die britische Regierung will sich allerdings nicht automatisch an EU-Regeln halten.

Barnier warnte vergangene Woche, die EU werde ein Abkommen "nicht zu jedem Preis abschließen". Für ihn ist auch eine Zusage, dass EU-Fischer weiter Zugang zu britischen Gewässern haben werden, für eine Vereinbarung unabdinglich.

Es beginne nun "eine entscheidende Phase" für die künftigen Beziehungen beider Seiten, erklärte der Vorsitzende der zuständigen Arbeitsgruppe im EU-Parlament, David McAllister. Er forderte die britische Regierung auf, ihre Haltung zu dem bereits abgeschlossenen Austrittsabkommen und insbesondere zu dem darin enthaltenen Protokoll zu Nordirland klarzustellen.

Zollunion mit Großbritannien

Dem Protokoll zufolge bleibt die britische Provinz in einer Zollunion mit Großbritannien. Sie wendet gleichzeitig aber weiter Regeln des EU-Binnenmarktes an, um Grenzkontrollen zu Irland zu vermeiden. Damit sind Kontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien nötig. Dies hatte die britische Regierung aber zuletzt mehrfach abgelehnt.

Neben einem Handelsabkommen strebt die EU auch Vereinbarungen in vielen weiteren Bereichen an. Dabei geht es etwa um innere und äußere Sicherheit, die Klimapolitik und den Datenschutz.

Die Verhandlungen zu den komplizierten Einzelfragen werden in elf Arbeitsgruppen gleichzeitig geführt. Großbritannien schickt nach offiziellen Angaben neben Chefunterhändler Frost bis zu 100 Experten. Auf EU-Seite führt ein Team unter dem Franzosen Barnier die Gespräche. Dafür hatten die EU-Staaten vorige Woche ein detailliertes Mandat erteilt. (APA, AFP, 2.3.2020)