Jemand, der es eigentlich besser wissen sollte – nämlich ich – hat einmal gesagt: Pitches sind das Salz in der Suppe eines Werberlebens. Traurige Realität ist allerdings, dass diese Suppe mehr und mehr total versalzen ist. Da kaum ein größerer Etat heute ohne Pitch vergeben wird, reden wir hier von nichts weniger als dem Lebensnerv der Branche.
Was macht aber diese Suppe so ungenießbar?

Der Prozess. Der Prozess, der den richtigen Kunden zur – für ihn – richtigen Agentur bringen sollte. Der wird nämlich immer komplizierter, immer bürokratischer, immer vielteiliger, immer undurchsichtiger, immer rätselhafter, immer kafkaesker.
Nebel halt.

Wer wird eingeladen und warum – noch interessanter: Wer wird nicht eingeladen und warum nicht? Was wird verlangt, und ist das, was verlangt wird, tatsächlich das, was der Kunde braucht? Wie wird entschieden und nach welchen Kriterien – kann ja kein Zufall sein, dass solche Präsentationen im Branchenjargon "beauty contests" genannt werden?

Das alles potenziert sich, wenn es um öffentliche Ausschreibungen geht. Mit einer Beharrlichkeit sondergleichen ignorieren öffentliche Ausschreibungen die Besonderheit der "Ware Kommunikation".

Als gäbe es dafür eine Ö-Norm, die man anwenden kann. Die Einsicht, dass gute, erfolgreiche Kommunikation das genaue Gegenteil von "Norm" sein muss, wird man im Vergaberecht vergeblich suchen. Und bei Vergaberechtlern, die mehr und mehr die Ausschreibungen leiten, erst recht. Ich denke, der Punkt ist klar: Pitches sind das Exerzierfeld für Murphy's Law. Was immer schiefgehen kann, geht auch schief.

Eine Charta mit Allgemeinplätzen

Vor kurzem hat sich jetzt auch noch die IAA dieses leidigen Themas angenommen und eine "Quality Pitch Charta" herausgegeben. Diese Charta strotzt vor Banalitäten, Allgemeinplätzen und Selbstverständlichkeiten wie eine Straßenverkehrsordnung, die die Verkehrsteilnehmer inständig bittet, sich ordentlich zu benehmen und den anderen – nach Möglichkeit – nicht grundlos über den Haufen zu fahren. So wird's sicher nicht besser. Und kein Mensch kann mir erklären, dass Kunden oder gar Agenturen mit dem Status quo glücklich sind.

"Mad Men": aus einer Zeit, in der die Werbung noch keine Pitchberater brauchte.
Foto: AMC

Pitchberater könnten vielleicht den Nebel lichten, wenn sie wirkliche Pitchberater wären. Keine bloßen Pitchorganisatoren. Keine Erbsenzähler. Keine Äpfel-mit-Birnen-Verwechsler. Keine Zeremonienmeister eines reibungslosen Ablaufs, die in Wirklichkeit noch mehr Reibung produzieren. Und vor allem: keine Feigenblätter im Dienste einer vermeintlichen Objektivität und Transparenz. Ein guter Freund von mir meinte:

"Das sind einfach schlechte Fußballer, die sich jetzt als Schiedsrichter aufspielen."

Ein guter Pitchberater stellt gleich zu Beginn die wichtigste Frage – ohne Angst, sich damit selbst aus dem Rennen zu nehmen: "Braucht der Kunde überhaupt eine neue Agentur?"

Ein guter Pitchberater darf nicht neutral sein – abgesehen davon, dass diese Neutralität ohnehin eine Seifenblase ist, die schon platzt, wenn man sie nur schärfer anschaut. Er muss eine Meinung und einen Standpunkt haben, die er nicht für sich behält, sondern offen einbringt.

Ein guter Pitchberater muss der Diener zweier Herren sein: Kunde und Agentur. Dazu muss er aber das Geschäft von beiden verstehen. Und wenn er das Geschäft von beiden versteht, dann wird er auch dafür sorgen, dass der Pitchprozess bei beiden keine finanzielle Blutspur zurücklässt.

Ein guter Pitchberater muss verstehen, dass ein Briefing keine Einkaufsliste ist, sondern ein strategisches Trampolin, auf dem man spektakuläre Kampagnensprünge machen kann.

Ein guter Pitchberater muss Werbung verstehen und Kampagnen beurteilen und diese Beurteilung auch begründen können.

Ein guter Pitchberater muss dafür sorgen, dass die Entscheidung nicht durch bloße Arithmetik getroffen wird, sondern im offenen Diskurs, von dem alle profitieren, ja, sogar die Verlierer.

Ist alles sicher nicht leicht. Aber unmöglich ist es auch wieder nicht. (Harry Bergmann, 6.3.2020)