Das Neutron besteht aus drei Quarks – einem up-Quark und zwei down-Quarks. Ist ein Neutron nicht in einem Atomkern gebunden, ist es instabil, allerdings mit vergleichsweise langer Halbwertszeit von etwa 10 Minuten. Dann verwandelt es sich durch Betazerfall in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino.

Foto: Robert Couse-Baker

Das Neutron feiert heuer einen runden Geburtstag: 1920 formulierte Ernest Rutherford (also jener neuseeländische Physiker, der 1911 das nach ihm benannte berühmte Atommodell entwickelt hat) die Hypothese, dass die Kerne von Atomen aus positiv geladenen Protonen und neutralen Partikeln bestehen. Zunächst hielt man diese jedoch für eine Proton-Elektron-Kombination. Erst 12 Jahre später konnte James Chadwick, ein Schüler Rutherfords, die Existenz des Neutrons als eigenständiges Partikel experimentell nachweisen.

Obwohl seit seiner theoretischen Annahme hundert Jahre vergangen sind, blieben rund um das Neutron immer noch einige Fragen unbeantwortet – etwa, wie groß dieses Elementarteilchen genau ist. Die Größe von Neutronen ist nämlich nicht direkt messbar: Man kann sie nur aus Experimenten mit anderen Teilchen erschließen. Während solche Bestimmungen bisher auf alten Messungen mit schweren Atomen auf sehr indirekte Weise vorgenommen wurden, ist ein Team um Evgeny Epelbaum von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) einen direkteren Weg gegangen.

Angenommene Größe muss korrigiert werden

"Im Inneren von Atomkernen gibt es positive und negative Ladungsbereiche, die beim Neutron zusammengenommen Null ergeben", erklärt Epelbaum. "Ihr Radius entspricht der örtlichen Ausdehnung der Ladungsverteilung. Er bestimmt somit die Größe der Neutronen." Bisherige Messungen dieser Größe basierten auf Streuexperimenten mit sehr niederenergetischen Neutronen an einer Elektronenhülle von schweren Atomen wie etwa Wismut. In einer theoretischen Studie ist es den Forschern nun gelungen, den Deuteron-Radius sehr genau zu berechnen. Das Deuteron ist einer der einfachsten Atomkerne und besteht aus einem Proton und einem Neutron.

"Unsere genaue Vorhersage des Deuteron-Radius kombiniert mit hochpräzisen spektroskopischen Messungen der Deuteron-Protonen-Radiusdifferenz ergab einen Wert für den Neutronenradius, der etwa 1,7 Standardabweichungen von den früheren Bestimmungen entfernt ist", fasst Vadim Baru von der Universität Bonn zusammen. Der bisher angenommene Wert für die Größe eines Neutrons müsse also korrigiert werden.

Der Herkunft der Materie im Universum auf der Spur

Einem anderen bedeutenden Aspekt des Neutrons wandten sich Forscher am Paul Scherrer Instituts (PSI) im Schweizer Villigen zu, dem sogenannten elektrischen Dipolmoment. Diese Eigenschaft des Neutrons hat das Potenzial, die Herkunft der gesamten heute im Universum existierenden Materie zu erklären. Beim Urknall entstand sowohl die Materie des Universums als auch Antimaterie – so zumindest die gängige Theorie. Da sich die beiden allerdings gegenseitig auslöschen, muss ein Überschuss an Materie entstanden sein, der bis heute übrig blieb. Die Ursache für diesen Materie-Überschuss ist eines der großen Rätsel der Physik und Astronomie.

Einen Hinweis auf das dahinterliegende Phänomen hoffen Wissenschafter unter anderem mithilfe von Neutronen zu finden. Die Vermutung: Hätte das Neutron ein elektrisches Dipolmoment (kurz: nEDM) mit einem messbaren Betrag ungleich null, könnte dahinter das gleiche physikalische Prinzip stecken, das auch den Überhang an Materie nach dem Urknall erklären würde.

Ist das Neutron ein "elektrischer Kompass"?

Die Suche nach dem nEDM lässt sich vereinfacht auf die Frage reduzieren, ob das Neutron ein "elektrischer Kompass" ist oder nicht. Schon lange ist klar, dass das Neutron ein magnetischer Kompass ist und auf ein Magnetfeld reagiert, oder im Fachjargon: ein magnetisches Dipolmoment hat. Sollte das Neutron zusätzlich auch ein elektrisches Dipolmoment haben, wäre dessen Wert sehr viel geringer – und daher ungleich schwieriger zu messen, das haben bereits frühere Messungen anderer Forschungsgruppen ergeben. Daher mussten die Wissenschafter von 18 Instituten und Hochschulen in Europa und den USA am PSI bei ihrer aktuellen Messung das lokale Magnetfeld mit hohem Aufwand sehr konstant halten.

Auch die Anzahl der beobachteten Neutronen musste entsprechend groß sein, um eine Chance zu haben, ihr nEDM zu messen. Am PSI liefen die nun im Fachjournal "Physical Review Letters" veröffentlichten Messungen daher über einen Zeitraum von zwei Jahren. Vermessen wurden sogenannte ultrakalte Neutronen, also Neutronen mit vergleichsweise langsamer Geschwindigkeit. Alle 300 Sekunden wurde für acht Sekunden ein Bündel mit über 10.000 Neutronen zum Experiment gelenkt und untersucht. Insgesamt vermassen die Forschenden 50.000 solcher Bündel.

Zu nahe an Null

Dabei zeigte sich letztlich, dass der Wert des elektrischen Dipolmoments beim Neutrons zu klein ist, um ihn mit den eingesetzten Instrumenten zu messen. "Der Wert ist zu nahe an Null", sagt Philipp Schmidt-Wellenburg vom PSI. "Es ist damit also unwahrscheinlicher geworden, dass das Neutron hilft, den Materie-Überschuss zu erklären. Aber ganz ausgeschlossen ist es weiterhin nicht."

Daher ist die nächste, noch genauere Messung bereits in Planung. "Als wir im Jahr 2010 die jetzige Quelle für ultrakalte Neutronen hier am PSI in Betrieb genommen haben, wussten wir bereits, dass das restliche Experiment ihr noch nicht gerecht wird. Daher bauen wir derzeit ein entsprechend größeres Experiment auf", erklärt Georg Bison, ebenfalls vom PSI. Ab 2021, so prognostizieren die Wissenschafter, soll daran die nächste Messreihe des nEDM starten und die jetzige wiederum in ihrer Genauigkeit übertreffen. (red, 3.3.2020)