Marina Gontijo sieht bei ihrer jetzigen Stelle in Graz ihren Wunsch nach anwendungsorientierter Forschung voll erfüllt.

Foto: Giftgrafia LTDA

Stahl zeichnet sich besonders dadurch aus, dass er verformbar und fest zugleich ist. Diese sogenannte Duktilität spielt aber nicht erst in den fertigen Produkten eine große Rolle, sondern bereits bei der Herstellung. Beim Stranggießen wird der Stahl aus dem Schmelzofen in Form von innen noch flüssigen Stahlsträngen nach unten abgegossen.

Diese werden horizontal weitertransportiert und verarbeitet. Beim dabei notwendigen Biegen können sich im Stahl Risse bilden, wodurch seine Qualität beeinträchtigt wird. Je duktiler das Ausgangsmaterial, desto weniger Schäden treten auf.

Qualität sichern, Produktivität steigern

Marina Gontijo untersucht die dabei herrschenden Bedingungen und wie Qualitätseinbußen minimiert werden können und somit die Produktivität gesteigert werden kann.

"Wir machen Zugversuche bei hohen Temperaturen", erklärt Gontijo das Testprinzip. Das zu untersuchende Stahlstück wird bis über den Schmelzpunkt auf rund 1450 Grad Celsius erhitzt und dann auf die jeweils gewünschte Temperatur bis circa 700 Grad abgekühlt.

Anschließend wird die Probe von beiden Seiten auseinandergezogen, bis sie bricht. Parameter wie die benötigte Zugkraft und Probeneinschnürung geben Aufschluss über die Duktilität. Spröde Materialien brechen, ohne sich davor zu verformen, während duktile sich zur Bruchlinie hin stark einengen können.

Vielseitigkeit

Zu Experimenten wie diesen kommen noch Analysen per Mikroskop, Literaturrecherche, Computersimulation, Versuchsplanung und natürlich die Auswertung und Interpretation all dieser Daten. Langweilig wird ihr also so schnell nicht, sagt die Brasilianerin über ihre Arbeit: "Ich denke, das mag ich am meisten daran, kein Tag gleicht dem anderen."

Diese Vielseitigkeit zeigt sich nicht nur in ihrem Beruf, sondern schon in ihrer Biografie und ihren Sprachkenntnissen. Während ihres Maschinenbaustudiums in Brasília war sie für Studienaufenthalte und Praktika in Chile, Deutschland und den USA und spricht entsprechend Portugiesisch, Spanisch, Englisch und Deutsch.

Über ein Praktikum in Schweinfurt kam sie schließlich zu ihrer jetzigen Stelle in Graz, bei der sie ihren Wunsch nach anwendungsorientierter Forschung voll erfüllt sieht. Gontijo arbeitet für K1-MET, ein metallurgisches Kompetenzzentrum von Universitäten und Industrie mit den Standorten Linz und Leoben, und macht dabei ihre Dissertation an der TU Graz.

Wissenschaft und Praxis

Mit dieser steht sie zwar noch am Anfang, aber auch für danach sieht sie ihren weiteren Forschungsweg an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis. Solange diese Voraussetzungen erfüllt sind, gibt es für sie auch keinerlei geografische Einschränkung. "Ganz egal, ob weiterhin hier, in Brasilien oder in Japan", sagt die 24-Jährige.

In ihrer noch kurzen Zeit in Graz gefällt es ihr jedenfalls schon sehr gut, aber es gibt doch drei Dinge, die sie vermisst. Allen voran natürlich ihre Familie, außerdem das Essen und – wohl für viele nachvollziehbar – die brasilianische Sonne.

In nächster Zukunft heißt es für Marina Gontijo aber Schlossberg und Stahl statt Sommer und Sonne. Die Frage nach ihrem Lieblingsessen ist übrigens schnell und vielleicht ebenso nachvollziehbar beantwortet: "Alles von meiner Mama!" (Markus Plank, 7.3.2020)