Vor allem ältere Menschen sind für chronische Wunden anfälliger. Wie die Wundheilung der Haut unterstützt werden kann, wird in Graz erforscht.

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Wunden verheilen nicht immer problemlos. Werden sie durch Entzündungen chronisch, dann bleiben sie offen und sind anfällig für Infektionen. Das passiert oft bei schweren Verbrennungswunden, doch das Risiko ist vor allem für ältere Menschen höher. Denn mit steigendem Alter treten chronische Erkrankungen wie Diabetes häufiger auf, die mit schlecht heilenden Wunden einhergehen können.

"Wir müssen deshalb damit rechnen, dass die Anzahl an Menschen mit chronischen Wunden signifikant steigen wird", sagt der plastische Chirurg Lars-Peter Kamolz, der an der Medizinischen Uni Graz die Klinische Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie leitet.

Wie genau Wunden durch Entzündungen chronisch werden, wie sich das frühzeitig erkennen lässt, das soll das bis Ende 2021 laufende Forschungsprojekt "Tec.Reg" (Technologien für Regenerative Medizin) aufklären helfen.

Dann lassen sich existierende Therapien leichter anpassen und auch neue Behandlungen besser entwickeln. Das vom Verkehrsministerium mit zwei Millionen Euro geförderte Projekt wird vom Forschungszentrum Coremed unter der Leitung von Kamolz sowie dem Forschungsinstitut Health durchgeführt.

"Das Ziel der regenerativen Medizin ist es, den gesunden und funktionalen Originalzustand eines Gewebes wiederherzustellen", sagt Kamolz. Die Wiederherstellung geschieht durch Anregung der körpereigenen Regenerationsprozesse, bei der etwa heilungsfördernde Substanzen ausgeschüttet werden.

Ersatzgewebe aus dem Labor

Darüber hinaus werden im Labor auch Ersatzgewebe gezüchtet, dabei spricht man von Tissue-Engineering. Das Marktforschungsunternehmen P&S Intelligence bezifferte den weltweiten Markt für Hautersatzprodukte 2018 mit 838 Millionen US-Dollar, umgerechnet rund 775 Mio. Euro. Er wächst jährlich um rund sechs Prozent.

Wie Wunden verheilen und wie sich dabei auch die Narbenbildung vermindern lässt, untersuchen die Tec.Reg-Forscher mithilfe von Hautmodellen. Dafür züchten sie zum einen aus Hautzellen dreidimensionale Hautkulturen. "Die Knackpunkte dabei sind eine gute Durchblutung und die Nährstoffversorgung aller Schichten", erklärt Kamolz.

Hautspenden nach Straffungsoperationen

Je dicker und lebensechter die Laborhaut sein soll, desto schwieriger ist ihre Versorgung. Für Hauttransplantationen reiche die gezüchtete Haut zwar noch nicht, trotzdem sei man schon deutlich weitergekommen, sagt Kamolz. Zum anderen kommen bei der Entzündungsforschung oft Hautspenden von Straffungsoperationen zum Einsatz. Das hilft auch, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren.

"Wir haben neue Technologien entwickelt, mit denen wir direkt ins Gewebe blicken können", sagt Kamolz. Wir positionieren mit Ultraschallhilfe hauchdünne Katheter in den Hautproben und entnehmen etwas Gewebsflüssigkeit. Darin werden dann verschiedene Biomarker bestimmt."

Das sind messbare biologische Substanzen und Parameter wie der pH-Wert, die Aufschluss über den Gesundheits- oder Krankheitszustand von Patienten, aber auch Organen geben. Bereits mehr als 100 Biomarker können die Tec.Reg-Forscher in der Haut messen. "Wir können zum Beispiel schauen, ob entzündungsstimulierende Substanzen in wachsenden oder sinkenden Mengen produziert werden."

Schädliche Veränderungen

Bisher ließen sie sich nur im Blut überprüfen, doch da zeigen sie nur an, dass es irgendwo im Körper eine Entzündung gibt. Über den Zustand von Wunden sagen sie wenig aus. Legt man nun mehrere hauchdünne Katheter, lassen sich schädliche Wundveränderungen im Verlauf mehrerer Stunden bis sogar Tage räumlich genau kartieren. Die Methode ist Kamolz zufolge weit weniger invasiv als etwa Biopsien und löse selbst keine Entzündung aus.

Neben der Grundlagenforschung können die Tec.Reg-Forscher mit der Methode auch die Wirkung von Medikamenten, Wundheilungs- und Pflegecremes sowie von Wundauflagen, die mit Wirkstoffen beschichtet sind, präzise untersuchen.

Sie kombinierten zum Beispiel gemeinsam mit einem Partnerinstitut einen in Südamerika bereits erhältlichen Nanozellulose-Verband namens Epicite und einen pH-sensitiven Farbstoff, der für Waschmittel ebenfalls schon zugelassen ist.

Verband ändert die Farbe

Verändert sich der pH-Wert in der Wunde, weil ihr Zustand entgleist, ändert der gesamte Verband die Farbe. "Die Kombination funktioniert. Jetzt unternehmen wir die nächsten Schritte für eine Zulassung", freut sich Kamolz.

Das Material hilft auch dabei, Verbrennungswunden besser heilen zu lassen. Werden die Verletzungen rasch damit bedeckt, kühlt die Haut schneller. Das reduziert die Schwere der Schäden, die umso größer sind, je höher die Temperaturen sind und je länger sie einwirken.

Künftig sollen die Erkenntnisse aus der Entzündungsforschung bei Wunden auch erklären helfen, wie und warum die Haut und Organe altern. Dann ließen sich auch hier neue Ansatzpunkte für die Prävention und Therapien entwickeln. (Veronika Szentpétery-Kessler, 5.3.2020)