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Der Algorithmus hat 68 Milliarden Melodien als Midi-Files erstellt.

Foto: Reuters

Nicht jeder kann von sich behaupten, 68 Milliarden Melodien auf seiner Festplatte gespeichert zu haben. Damien Riehl, seines Zeichens Anwalt und Musiker, allerdings schon. Er hat sich mit dem Programmierer Noah Rubin zusammengetan, um klagefreudigen Labels eins auszuwischen, schreiben "The Atlantic" und "The Independent".

Riehl hat einen Algorithmus erarbeitet, der Abfolgen von acht Tönen mit zwölf Schlägen generiert. 300.000 davon kann die Software pro Sekunde erschaffen. Mittlerweile soll sie alle möglichen Kombinationen erzeugt und als Midi-Dateien gespeichert haben.

Milliarden Melodien für die Allgemeinheit

Die Melodien hat Riehl zuerst unter sein Copyright gestellt und anschließend in Form der Sammlung "All The Music" unter Public-Domain-Lizenz über das Web-Archive freigegeben. Das bedeutet, dass sie nun keinem Urheberrecht mehr unterliegen und von jedem nach Gutdünken verwendet worden können. "Public Domain" ist in angelsächsischen Rechtssystemen verankert. Das hiesige Gegenstück, das allerdings nicht vollständig ident ist, ist die "Gemeinfreiheit". Auch der Quellcode des Algorithmus wurde auf Github offengelegt.

Als Motivation nennt Riehl bekannte Copyrightklagen unter Musikern – etwa als die Chiffons gegenüber dem Ex-Beatles-Mitglied George Harrison den Vorwurf aufbrachten, er hätte in seinem Song "My Sweet Lord" die Melodie von "He's So Fine" abgekupfert. Fast 30 Jahre lang wurde darum prozessiert, ehe ein Gericht Harrison wegen "unterbewussten Plagiarismus" verurteilt wurde.

TEDx Talks

Freiheit für Musiker?

Riehl argumentiert in einem Ted-Talk, dass die Anzahl aller möglichen Melodien endlich ist. Dementsprechend sei es wahrscheinlich, dass sich immer wieder einmal Tonabfolgen in neuen Songs mit älteren Werken decken würden.

"Kein Song ist neu. Noah und ich haben alle Varianten ausgeschöpft", meint er. Dadurch soll es Musikern in Zukunft möglich sein, jedes Musikstück schreiben zu können, ohne Angst vor Klagen zu haben. Ob sich diese Rechtsansicht durchsetzt, bleibt freilich abzuwarten.

Projekt wird ausgeweitet

Copyright-Kritiker und Harvard-Rechtsexperte Lawrence Lessig räumt dem Unterfangen wenig Chancen ein. Egal ob man Melodien mathematisch abbilden könne, wie es ein Algorithmus tut, sie seien dennoch mehr als bloß Zahlen. Er verstehe aber die Motivation und halte Fälle, in denen jemand, der unabsichtlich eine fremde Melodie verwendet und wegen "unterbewussten Plagiarismus" verurteilt werde, schlicht für "absurd".

Riehl und Rubin hoffen ebenfalls, dass eine Rechtsreform derlei Probleme irgendwann löst. Dennoch arbeiten sie an ihrem Projekt weiter und lassen den Algorithmus weitere Melodie mit größeren Notenabfolgen und neuen Rhythmen erstellen.

random804

Dass sich bekannte Lieder ähneln, kommt immer wieder einmal vor. Häufig finden sich in bestimmten Genres periodisch etwa Akkordabfolgen, die hinter besonders erfolgreichen Songs stecken. Ein unterhaltsames Beispiel dafür liefert etwa die australische Band und Comedy-Gruppe Axis of Awesome mit ihrem "Four Chord Song Medley". (gpi, 3.3.2020)