Wenn das Coronavirus dem Muster früherer globaler Infektionen wie Sars oder der Vogelgrippe folgt, dann wird sich das weltweite Wachstum vorübergehend abschwächen, dann aber rasch wieder erholen. Keine Krankheit, die sich dank der Globalisierung auf der Erde ausbreitete, hat bisher nachhaltige wirtschaftliche Spuren hinterlassen.

Doch diesmal kann es anders kommen, warnen Ökonomen wie etwa der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, der Österreicher Gabriel Felbermayr. Und das liegt nicht an der besonderen Gefährlichkeit von Sars-CoV-2. Selbst wenn die Einschränkungen im Waren- und Reiseverkehr bald wieder enden, weil der Erreger entweder eingedämmt ist oder der Kampf dagegen aufgegeben wurde, trifft das Virus die Weltwirtschaft in einem Augenblick, an dem die gesamte Globalisierung infrage steht. Der Prozess der Entglobalisierung und Renationalisierung, der bereits nach 2008 eingesetzt hat, könnte sich nun deutlich beschleunigen.

Das Coronavirus trifft die Weltwirtschaft in einem Augenblick, an dem die gesamte Globalisierung infrage steht.
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Das hätte auch positive Seiten. Die internationale Arbeitsteilung wurde in den vergangenen Jahren zum Teil übertrieben. Für praktisch jedes Industrieprodukt laufen die Lieferketten heute kreuz und quer über den Planeten. Das bringt Kostenersparnisse und sorgt gerade in Schwellenländern für mehr Wohlstand, schafft aber in vielen Branchen auch Verwundbarkeit durch unvorhersehbare Ereignisse – wie etwa einen Virusausbruch in Zentralchina, der wichtigsten Werkbank der Welt. Es ist sinnvoll, wenn Unternehmen ihre Zulieferer diversifizieren und geografisch an sich ziehen.

Kampf gegen Klimakrise

Vielleicht stärkt der Corona-Schock die Bereitschaft der Weltgemeinschaft, zur Eindämmung der CO2-Emissionen endlich für mehr Kostenwahrheit im Frachtverkehr zu sorgen. Neue Technologien wie 3D-Drucker könnten in Zukunft viele physische Ferntransporte überhaupt überflüssig machen. Das wäre ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise, zu der die Globalisierung einiges beiträgt.

Auch der Rückgang des Fremdenverkehrs, der nicht nur in Italien zu spüren ist, wäre kein großer Schaden. Der Overtourism, angeheizt durch viel zu billige Flugreisen, hat in den vergangenen Jahren oft absurde Ausmaße angenommen – und die Wachstumsprognosen aus Asien waren für Plätze wie Venedig oder Amsterdam ein Albtraum. Auch hier verlangt die Klimakrise ein Umdenken.

Aber es gibt auch ein anderes, bedrohliches Szenario. Vor 100 Jahren, infolge des Ersten Weltkriegs, schotteten die Industriestaaten ihre Wirtschaftsräume voneinander ab. Sie schufen damit die Voraussetzungen für die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre und den Aufstieg der Nationalsozialisten. Auch heute ist davon etwas zu spüren, in Donald Trumps Handelskriegen und in den Wahlerfolgen rechtsnationaler Politiker in aller Welt.

In Summe hat die Globalisierung seit den 1970er-Jahren historisch einmalige Vorteile gebracht. Sie hat Milliarden von Menschen vor allem in Ostasien aus der Armut geführt und auch in Europa dank der EU-Integration das Leben verbessert. Aber wachsende Ungleichheit, die Sorge um die kulturelle Identität und eine zu schwache Regulierung der Finanzmärkte gaben auch den Gegenkräften Auftrieb.

Wenn die Reaktionen auf das Coronavirus das Pendel zu weit in Richtung des wirtschaftlichen Nationalismus ausschlagen lassen, dann gibt es wirklich Grund zum Fürchten. (Eric Frey, 4.3.2020)