Stadt Wien hat zur Betreuung von positiv getesteten Coronavirus-Patienten einen Pavillon des ehemaligen Geriatriezentrum 'Am Wienerwald' in Betrieb genommen

Foto: APA/HANS PUNZ

Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler beim Zusammentreffen mit den Sozialpartnern Mittwochfrüh.

Foto: APA/Schlager

Wien – Die Regierungsspitze traf Mittwochfrüh mit Vertretern der Sozialpartner zusammen, um zu vereinbaren, wie auf das Coronavirus und dessen Auswirkungen auf Österreichs Wirtschaft reagiert wird.

Die Regierung stehe für das System Kurzarbeit zur Verfügung in Betrieben, "wo es notwendig ist und Sinn macht", verkündete Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), als er nach dem Gespräch mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer vor die Presse trat. Man sei bereits mit den Hauptbetroffenen in Kontakt, sagte Kurz.

Unternehmen, die aufgrund der Ausbreitung des Virus vor Liquiditätsschwierigkeiten stehen, soll zudem mit Kreditgarantien über zehn Millionen Euro geholfen werden. Das betreffe insbesondere kleine und mittelständische Betriebe. Es gebe aber "keinen Grund zur Verunsicherung", sagte Kurz. Es herrsche nur eine "punktuelle" Betroffenheit, das Wirtschaftswachstum würde wegen Sars-CoV-2 um rund 0,1 Prozent sinken, zitierte Kurz Wirtschaftsforscher. Österreich sei "auf alle Szenarien" gut vorbereitet.

Kärnten besonders betroffen

Einige Betriebe, Branchen und Regionen seien aber stärker betroffen. Dazu gehören die Transport- und die Tourismusbranche sowie jene, die besonders viel Handel mit Italien treiben. Das Exportvolumen nach Italien betrage rund zehn Milliarden Euro, davon kämen drei Milliarden Euro allein aus Kärnten, sagte WKO-Präsident Mahrer.

ÖGB-Präsident Katzian sprach angesichts der Gesprächsergebnisse mit den Regierungsspitzen vom "guten Beginn eines Dialogs". Es gebe noch offene Fragen, etwa jene der Unfallversicherung bei Homeoffice.

Langfristig müsse man laut Vizekanzler Kogler danach trachten, Schlüsselproduktionen von Medikamenten und medizinischen Gütern in Europa und Österreich zu halten oder zurückzuholen.

14 AUA-Flieger bleiben am Boden

Die Austrian Airlines teilte Mittwochabend mit, aktuell 14 von 82 Flugzeugen aufgrund der Situation mit dem Coronavirus auf dem Boden zu lassen. Der AUA-Mutterkonzern Lufthansa hat fast ein Fünftel der Flotte vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Man passe den Flugplan dynamisch an die Corona-Krise an, hieß es von der Lufthansa. Mit der Kapazitätsverringerung setze man schon bekannt gegebene Flugstreichungen um.

Die österreichische Hoteliersvereinigung zeigte sich in einer Reaktion auf die Ansagen der Bundesregierung skeptisch, ob das Volumen für Kreditgarantien in der Höhe von zehn Millionen Euro ausreicht. Allein der Einnahmenentfall durch den Ausfall des Radiologenkonkresses liege höher.

Arbeitszeitregeln gelockert

Das Arbeitsministerium lockert in Reaktion auf das Coronavirus per Erlass die gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften, insbesondere für Personal von Krankenhäusern und Laboren wie der Virologie des AKH Wien, an dem die Testungen auf das Coronavirus durchgeführt werden. Auch die Mitarbeiter an den Telefonhotlines können demnach die Höchstarbeitszeiten über- und die Ruhezeiten unterschreiten. Es gebe zudem Erleichterungen bei der erforderlichen Meldung der Arbeitszeitverlängerung im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Fällen.

29 bestätigte Fälle in Österreich

Die Zahl der offiziell bestätigten Fälle einer Infektion mit dem Coronavirus in Österreich steigt weiter: Mit Stand Mittwoch, 18 Uhr, waren es 29 und damit um fünf mehr als am Abend zuvor. Das teilte das Gesundheitsministerium auf seiner Website mit. Demnach wurden bisher 3.138 Tests durchgeführt.

Zwei der Fälle betrafen Niederösterreich, der dritte Wien, der vierte Salzburg und der fünfte die Steiermark. Außerdem seien zwei Österreicher positiv auf das Virus getestet worden, nachdem sie am Freitag in Genua vom Kreuzfahrtschiff "MSC Opera" gegangen sind. Dies bestätigten die österreichischen Gesundheitsbehörden. Das österreichische Paar hatte vom 17. bis zum 28. Februar an einer Kreuzfahrt im westlichen Mittelmeerraum teilgenommen.

Einer der neueren Erkrankungsfälle betrifft das Wiener Landesgericht. Dort hatte am Montag eine an Covid-19 erkrankte junge Juristin ihren Dienst als Rechtspraktikantin angetreten. Testungen auf das Virus bei Mitarbeitern dort waren vorerst aber nicht vorgesehen. Die junge Frau weist derzeit keine Krankheitssymptome auf und ist in häuslicher Quarantäne. Sie gehört zu den bisher bekannten vier Erkrankungsfällen in der Kanzlei Wolf Theiss, von denen einer jener 72-Jährige schwer Erkrankte ist, der als erster bestätigter Covid-19-Fall Wiens gilt und der bereits zehn Tage im Spital gelegen war, als er positiv auf das Virus getestet wurde.

Die anderen drei Infizierten der Kanzlei sollen mit dem Mann aber keinen Kontakt gehabt haben, daher wird nach wie vor nach der Person gesucht, die das Virus übertragen hat. Alle der knapp 300 Mitarbeiter wurden auf private Initiative des Unternehmens hin auf das Virus getestet. Nach Abschluss der Untersuchungen hieß es von Wolf Theiss, alle weiteren Testergebnisse seien negativ gewesen.

Mittwochnachmittag wurde zudem je ein weiterer bestätigter Infektionsfall in Salzburg sowie ein Fall in der Steiermark meldet. Laut Land Salzburg handelt es sich um eine 44-jährige Urlauberin aus Köln in der Gemeinde Untertauern im Pongau, die in ihrem Hotel in Quarantäne sei. Die Steiermark meldete einen 49-jährigen Erkrankten mit mildem Verlauf aus dem Bezirk Weiz, bei dem noch unklar war, wo er sich angesteckt hat. Zwei Kinder aus dem Pongau – bei denen das Coronavirus vermutet wurde- sind negativ auf Covid-19 getestet worden. Die angekündigte Schließung der betroffene Klasse in der Neuen Mittelschule Werfen und des Kindergartens in Werfenweng sei aufgrund der negativen Testergebnisse nicht mehr notwendig, vermeldeten die Behörden am Mittwochabend. Das Gesundheitsministerium teilte am frühen Abend auf Nachfrage mit, das nächste Update bestätigter Fälle und Testungen Donnerstagfrüh bekanntzugeben.

Die Informationsoffensive zum neuartigen Coronavirus zeigt ihre Wirkung in der Bevölkerung, so Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne). "Niemand kommt mehr in eine Spitalsambulanz und sagt, ich habe Symptome", sagte er am Mittwoch vor dem Ministerrat.
DER STANDARD/APA

Neue Kriterien für Verdachtsfälle

Seitens des Gesundheitsministeriums sind die Kriterien zur Beurteilung, ob Personen als Covid-19-Verdachtsfälle infrage kommen, konkretisiert worden. Die von der Wiener Ärztekammer an alle niedergelassenen Ärzte weitergegebenen Kriterien sollen verhindern, dass Patienten sich oder andere voreilig als mögliche Infizierte betrachten.

Für eine Abklärung – sprich: eine Testung auf den Sars-CoV-2-Erreger – kommen Personen mit akuten Symptomen wie dem plötzlichen Auftreten von Husten, Fieber, Kurzatmigkeit und Anzeichen einer akuten Atemwegserkrankung infrage. Zusätzlich muss nachgewiesen sein, dass die Betreffenden in den 14 Tagen vor Auftreten der Symptome Kontakt mit einem nachgewiesenen Covid-19-Patienten hatten oder sich in einer vom Coronavirus stark betroffenen Region aufgehalten haben. Dazu zählen die italienischen Regionen Piemont, Emilia-Romagna, Lombardei und Venetien, die chinesische Provinz Hubei, Südkorea, Iran, Hongkong, Japan und Singapur.

Behörde ordnet Testungen an

Personen, die diese Kriterien erfüllen, sind dazu aufgerufen, sich bei der Notfallnummer 1450 zu melden und keinesfalls ein Spital oder eine Arztpraxis aufzusuchen. Die Anordnung zur Durchführung einer Testung (idealerweise in der Wohnung der Betroffenen) sowie über mögliche weitere Maßnahmen, hat durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde – in Wien die MA 15 – zu erfolgen. Bei einem positiven Testergebnis ist die Person per Bescheid für die Dauer der Erkrankung abzusondern: in schweren Fällen im Spital, bei milden Verläufen zuhause. (APA, spri, 4.3.2020)