Comeback-Kid mit Silberhaar: Joe Biden.

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Joe Biden ist nicht Barack Obama. Weder wohnt ihm dessen rhetorische Brillanz inne, noch vermittelt der ehemalige Vizepräsident, 77, mitunter tapsig und durchaus Fettnäpfchen-erfahren, was der erste schwarze US-Präsident stets zu vermitteln vermochte: Aufbruch. Bidens Hoppalas im Wahlkampf aufzuzählen ist müßig, sein mitunter zudringlicher Stil Frauen gegenüber gilt als zumindest unsympathisch, von seiner Rolle in der Ukraine-Affäre bleibt bei so manchem Wähler wohl ein bitterer Nachgeschmack.

Nach dem Super Tuesday, bei dem Biden acht der 14 Vorwahlen gewonnen hat, wird aber deutlich, warum Donald Trump so verzweifelt um Schützenhilfe aus Kiew gegen ihn bat: Biden kann nicht nur die verunsicherten Demokraten einen, sondern die nach vier Jahren Trump höchstens noch lose Vereinigten Staaten von Amerika. Der Präsident, ein geschickter Stratege, weiß das. Darum hat er "Sleepy Joe" früher und härter angegriffen als die anderen demokratischen Kandidaten. Dass sich Pete Buttigieg und Amy Klobuchar, die beiden Shootingstars aus dem Mittleren Westen, noch vor dem Super Tuesday hinter Biden geschart haben, belegt dessen einigendes Potenzial und hat dem schon Abgeschriebenen womöglich einen entscheidenden Drall versetzt. Gut möglich, dass es deren Schützenhilfe war, die die vielen Unentschlossenen letztlich zur Stimme für den Kompromisskandidaten bewogen hat.

Die härteste Währung in diesem Vorwahlkampf der Demokraten heißt schließlich "Electability", Wählbarkeit, Biden hat schon zweimal bewiesen, dass er dafür breite Koalitionen schmieden kann. Bernie Sanders, nach wie vor Favorit, muss jetzt zusehen, dass er dem "Joementum" mit Konzilianz begegnet. Denn er muss befürchten, dass sich die US-Amerikaner nach vier bleiernen Jahren Trump nun eher nach biederer Berechenbarkeit im Weißen Haus sehnen denn nach einem weiteren Gamechanger. (Florian Niederndorfer, 4.3.2020)