Kastanies/Lesbos – Erneut ist es am Mittwoch in der Früh zu Unruhen an der griechisch-türkischen Grenze im Nordosten Griechenlands gekommen. Fernsehbilder zeigten von der griechischen Seite aus, wie hinter dem Grenzzaun hunderte Migranten versuchten, die Grenze zur EU zu überwinden. Dabei wurden auch Feuer gelegt. Die griechische Polizei setzte Tränengas ein, auch vonseiten der Migranten wurden solche Geschoße über den Zaun geworfen.

Migranten versuchten auch am Mittwoch, den Grenzzaun zur EU zu überwinden und legten Feuer.
Foto: APA/EPA/Sahin

Griechische Sicherheitskräfte hatten immer wieder gesagt, dass Migranten auf der türkischen Seite mit Tränengas ausgestattet seien. Ein Sprecher der griechischen Regierung erklärte am Mittwoch, die Migranten setzen Tränengasgranaten des türkischen Militärs sein. Die Türkei würde außerdem seit Tagen Falschnachrichten über angeblich von griechischen Grenzschützern getötete Migranten verbreiten. Der griechische Sender Skai berichtete, auf der türkischen Seite warteten rund 12.500 Menschen auf die Möglichkeit, die Grenze zu überwinden.

Ungarns Premier Viktor Orbán erklärte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz am Rande eines Treffens der Visegrád-Staaten, dass bereits 130.000 Migranten die griechisch-türkische Grenze überschritten hätten. Diese müssten so bald wie möglich gestoppt werden. "Es wird nicht reichen, die griechisch-türkische Grenze zu verteidigen", sagte Orbán.

Podcast: Volle Härte gegen Menschen in Not?

Erdoğan stellt Bedingungen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Mittwoch der EU Bedingungen gestellt. "Wenn die europäischen Länder das Problem lösen wollen, müssen sie die politischen und humanitären Bemühungen der Türkei in Syrien unterstützen", sagte Erdoğan am Mittwoch in einer Rede in Ankara. Er warf der EU "Menschenrechtsverletzungen" im Umgang mit den Migranten an der Grenze vor.

"Staatlich organisiertes Schlepperwesen"

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg hat Erdoğan scharf kritisiert. Dieser betreibe "Stimmungsmache" gegen Griechenland in Form eines PR-Krieges. Erdoğans Vorgehen der vergangenen Tage bezeichnete Schallenberg am Mittwoch als "zynisches, staatlich organisiertes Schlepperwesen".

Die derzeitige Situation sei "ganz bewusst von türkischer Seite ausgelöst und provoziert" worden, bekräftigte der Außenminister. Menschen seien "unter Vorspielung falscher Tatsachen mit Missinformation und 'fake news'" dazu gebracht worden, sich in Bewegung zu setzen.

Eskorte der türkischen Küstenwache

Von seinen griechischen Ministerkollegen sei ihm am Dienstag in Athen davon berichtet worden, dass die türkische Küstenwache teilweise Flüchtlingsboote sogar bis in internationale Gewässer eskortieren würde. Auch würden die türkischen Behörden ihre griechischen Kollegen filmen, um das gesamte Land in Bedrängnis zu bringen und die europäische Öffentlichkeit "ganz bewusst negativ zu Griechenland zu beeinflussen". Das ist Stimmungsmache, das muss uns Europäern nur bewusst sein", betonte Schallenberg. Erdoğans Vorgehen bezeichnete Schallenberg als "erstaunlich, unerklärlich und völlig unakzeptabel".

Migranten werden aufs Festland gebracht

Athen setzt seine Entscheidung in die Tat um, Asylanträge neu eingereister Migranten nicht zu bearbeiten und sie so schnell wie möglich auszuweisen. Am Mittwoch traf auf der Insel Lesbos ein Schiff der griechischen Kriegsmarine ein. Es soll rund 400 ab dem 1. März angekommene Migranten an Bord nehmen, die dann zunächst an Bord bleiben.

Die Grenze bei Kastanies von griechischer Seite aus gesehen.
newsittv

Danach sollen sie – zu einem späteren Zeitpunkt – in ein geschlossenes Camp auf dem Festland gebracht werden. Anschließend sollen sie in ihre Herkunftsländer ausgewiesen werden. Dies bestätigte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. Auch auf anderen Inseln im Osten der Ägäis wurden die neuen Migranten zwecks Ausweisung festgehalten.

Migranten werden organisiert über einen Grenzfluss bei Edirne gebracht.
61SAAT TV

Landeversuche

Nach der Öffnung der türkischen Grenzen am 29. Februar hatten allein vergangenes Wochenende mehr als 900 Migranten aus der Türkei zu den griechischen Inseln Lesbos, Chios und Samos sowie kleineren Eilanden übergesetzt. Am Montag waren mehr als 600 Menschen hinzugekommen, wie das Migrationsministerium in Athen mitteilte. Wegen stürmischen Windes seien in der Nacht zum Mittwoch keine Migranten auf Lesbos angekommen, teilte ein Offizier der Küstenwache auf Lesbos mit.

Ein Schiff der griechischen Marine soll hunderte Migranten von Lesbos aufs Festland bringen.
Foto: APA/AFP/Gouliamaki

Unbekannte verbreiten immer wieder Gerüchte, wonach Schiffe alle Migranten aus Lesbos zum Festland bringen sollen. Am Dienstagnachmittag verdrängte die Polizei hunderte Migranten aus dem Hafen der Inselhauptstadt Mytilini. Sie hatten den Gerüchten geglaubt und waren mit ihren Kindern zum Hafen gekommen. Auf Lesbos leben derzeit nach Angaben des griechischen Staates mehr als 20.000 Migranten.

Bereits am Montag kam es zu Zusammenstößen an der griechisch-türkischen Grenze.
DER STANDARD

Nordmazedonien erhöht Grenzschutz

Wegen möglicher gesteigerter Übertritte von Migranten an der Grenze zu Griechenland hat Nordmazedonien seine Truppenpräsenz in der Grenzregion stark angehoben. Die Zahl der Sicherheitskräfte sei vor zwei Tagen auf das zehn- bis 15-Fache erhöht worden, berichteten Medien in Skopje nach einem Besuch von Präsident Stevo Pendarovski im grenznahen Ort Gevgelija am Dienstag. (red, APA, 4.3.2020)