Man kann die Uhr danach stellen: Jedes Jahr bricht kurz vor der Zeitumstellung auch die Diskussion über ihre Vor- und Nachteile los. Die EU plant, sie ab 2021 abzuschaffen. Denn die Hoffnung auf Energieeinsparungen, die ursprünglich der Grund für die Einführung der Sommerzeit war, hat sich nicht bestätigt. Viele Menschen sind von dem Thema nur genervt. Bei der nicht-repräsentativen Umfrage im Sommer 2018, bei der 4,6 Millionen EU-Bürger teilnahmen, haben fast 80 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen für eine Abschaffung gestimmt.

In der EU könnte die Zeitumstellung bald Geschichte sein.
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Auch Wissenschafter warnen schon lange vor den gesundheitlichen Folgen. Unsere innere Uhr lässt sich nicht so einfach umstellen. Sie orientiert sich an Tageslicht und Routine. Besonders die fehlende Stunde in der Zeitumstellung im Frühjahr versetzt uns in einen Mini-Jetlag. Wie beim Reise-Jetlag dauert es einige Tage, bis der Körper sich an die neue Zeit gewöhnt hat.

Sozialer Jetlag durch Sommerzeit

Eine Umstellung auf eine immerwährende Sommerzeit würde uns laut Chronobiologen übrigens in einen dauerhaften "sozialen Jetlag" versetzen. Darunter verstehen diese die Diskrepanz zwischen der inneren Uhr und äußeren Zeitgebern, die unsere Aktivität bestimmen. Häufig sind wir auch nach Sonnenuntergang noch unterwegs oder surfen bis spät in die Nacht im Internet, bevor uns der Wecker viel zu früh vor Sonnenaufgang aus dem Schlaf reißt.

Gerade für Kinder und Jugendliche, die natürlicherweise einen späten Rhythmus haben, ist das ungünstig. Auch für Erwachsene bringt ein dauerhafter Schlafmangel gesundheitliche Probleme: von Konzentrationsschwierigkeiten und Depressionen bis hin zu einem erhöhten Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer Schwächung des Immunsystems.

Der soziale Jetlag führt zu Konzentrationsschwierigkeiten und kann krank machen.
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Unfallrisiko steigt nach Zeitumstellung

Auch der Jetlag der Zeitumstellung allein konnte bereits mit solchen negativen Folgen in Verbindung gebracht werden. Beispielsweise sollen in der Zeit nach der Umstellung unausgeschlafene Verkehrsteilnehmer mehr Unfälle verursachen. Dieser Effekt ist wissenschaftlich durchaus umstritten, da manche Studien stattdessen einen marginalen Rückgang von Unfällen feststellten. Eine Diskrepanz, die durch unterschiedliche Daten und Forschungsfragen entsteht.

Während die einen sich auf chronobiologische, also unsere innere Uhr betreffende, Gründe fokussieren, betrachten andere den Einfluss des Tageslichts zu den Hauptverkehrszeiten. Zu beachten sind dabei auch jahreszeitliche Schwankungen, denn im Sommer gibt es aufgrund eines erhöhten Verkehrsaufkommens und mehr Motorradfahrern unter den Verkehrsteilnehmern mehr tödliche Unfälle.

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730.000 Menschen kamen innerhalb von 20 Jahren bei Autounfällen in den USA ums Leben. Ein erhöhtes Risiko besteht kurz nach der Zeitumstellung im Frühjahr.
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Diese Begleitfaktoren versuchten Wissenschafter unlängst in einer großangelegten Studie von 730.000 tödlichen Unfällen in den USA herauszurechnen. Ihre Erhebung erschien zuletzt im Fachblatt "Current Biology". Im Untersuchungszeitraum von 20 Jahren fanden sie eine um sechs Prozent erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit nach der Umstellung auf die Sommerzeit. Dieser Effekt war unabhängig vom Zeitpunkt der Umstellung, die innerhalb des Untersuchungszeitraums um zwei Wochen vorverlegt wurde.

Unaufmerksam am Morgen

Außerdem zeigte sich, dass das erhöhte Unfallrisiko auch am Nachmittag bestand, was der These widerspricht, mehr Licht am Abend würde Unfälle reduzieren. Der Effekt am Morgen war jedoch besonders stark und hielt sogar bis in die zweite Woche nach der Umstellung an, was sich am ehesten durch chronobiologische Ursachen und Schlafmangel erklären lässt.

Bei der Umstellung auf die Normalzeit im Herbst fanden die Forscher zudem einen leichten Rückgang der Verkehrstoten am Morgen, wo die Menschen ausgeschlafen eine Stunde später unterwegs sind. Allerdings hob sich dieser Vorteil durch vermehrte Unfälle am Abend, vermutlich durch das fehlende Licht, wieder auf. Insgesamt war deshalb kein geringeres oder erhöhtes Risiko im Vergleich zu jeder anderen Woche des Jahres festzustellen.

Der Westen muss früher aufstehen

Interessanterweise konnte auch ein Ost-West-Gefälle im Unfallaufkommen festgestellt werden. Menschen, die im Westen einer Zeitzone unterwegs waren, hatten ein noch höheres Risiko, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, als diejenigen im Osten der Zeitzone. Solche Effekte wurden schon lange vermutet und konnten beispielsweise bereits für ein erhöhtes Krebsrisiko und schlechtere Bildungserfolge beobachtet werden.

Eine weitere Studie zeigte, dass die Menschen im Westen einer Zeitzone im Schnitt 20 Minuten weniger Schlaf bekommen. Das liegt daran, dass sie am Abend länger wach sind. Auch leichte Einbußen bei der Schlafqualität und ein Hang zu einem höheren Gewicht wurden berichtet.

Sonnenaufgang über Puchberg am Schneeberg in Niederösterreich.
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Der soziale Jetlag trifft daher Menschen im Westen einer Zeitzone härter als im Osten. In der Mitteleuropäischen Zeitzone geht nach der Zeitumstellung am Sonntag die Sonne in Belgrad um 6.25 Uhr auf, in Madrid erst um 8.03 Uhr. Wenn der Wecker am Montag also um 7 Uhr klingelt, haben die Menschen in Serbien bereits Tageslicht, während es in Spanien noch dunkel ist.

Dies verdeutlicht auch, warum einige Biologen für die Rückkehr zur Normalzeit statt einer dauerhaften Sommerzeit plädieren. Sonst würden die Menschen in Spanien im Winter erst um halb 10 Uhr die ersten Sonnenstrahlen zu sehen bekommen. Eine permanente Sommerzeit würde uns alle um eine Zeitzone nach Osten versetzen, als würden wir am westlichen Rand der Osteuropäischen Zeitzone leben. (Friederike Schlumm, 28.3.2020)