In einem Mammutprojekt wurden die alten Wohntürme ...

Foto: GSD

...umfassend thermisch saniert und um zwei Dachgeschoße erhöht.

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"Man stößt bei so einer Baustelle nicht immer auf Verständnis, aber wir haben die Mieterinnen und Mieter gut begleitet, und sie haben die jahrelangen Baumaßnahmen mit Geduld und Wohlwollen zur Kenntnis genommen", sagt der Wiener Architekt Werner Rebernig, Geschäftsführer der auf Sanierung und Revitalisierung spezialisierten Gesellschaft für Stadt- und Dorferneuerung (GSD). "Doch nun ist das Schlimmste überstanden, denn die laut- und staubintensiven Arbeiten sind zum überwiegenden Teil abgeschlossen. Von nun an widmen wir uns den Fassaden und dem Innenausbau."

Sanierung bei laufendem Betrieb

Die Rede ist von der Wohnhausanlage Hauffgasse in Wien-Simmering. Seit 2017 wird das Haus mit insgesamt 486 Wohnungen bei laufendem Betrieb thermisch saniert und auf barrierefreien Standard angehoben. Dazu zählt auch der Umbau der Stiegenhäuser mit großen, stufenlos begehbaren Liften sowie druckbelüfteten, baulich abtrennbaren Brandabschnitten, wie sie im heutigen Hochhausbau laut Wiener Bauordnung gefordert sind. Es ist ein Mammutprojekt, das dem gemeinnützigen Wohnbauträger BWS Geduld, Sensibilität und ein hohes Maß an Baulogistik und Mieterkoordination abverlangt.

"Die thermische Sanierung ist aber nur ein Teil des Projekts, denn wenn wir schon so eine Wohnhausanlage angreifen, dann wollen wir gleich sämtliche potenzielle Synergieeffekte mitnutzen und die bauliche Anlage für die nächsten Jahrzehnte fit machen", sagt Michael Castellitz, BWS-Abteilungsleiter für den Bereich Sanierung und Revitalisierung. Um die Wohnungen besser zu belichten, wurden die massiven Betonbrüstungen in den Loggien abgerissen und durch transluzente Glasbrüstungen ersetzt. Zudem wurden die Freiräume, um den Bewohnern mehr Platz und mehr Aussicht zu bieten, um 25 Zentimeter nach außen verlängert.

79 zusätzliche Wohnungen

Doch die baulichen Maßnahmen beschränken sich nicht nur auf den Bestand. Im Dachbereich wurde die gesamte Wohnhausanlage auf sämtlichen Stiegen um zwei Vollgeschoße in Leichtbauweise aufgestockt. Auf diese Weise konnten 79 zusätzliche Wohneinheiten geschaffen werden, die von der BWS als geförderte Mietwohnungen zu rund 12 Euro brutto pro Quadratmeter auf den Markt gebracht werden. Ergänzt wird das Projekt schließlich von einer PV-Anlage auf dem Dach sowie von einem Mobilitätskonzept mit insgesamt fünf Elektroautos. Laut BWS werde das Angebot schon jetzt gut angenommen.

"Es gibt nur wenige Beispiele in Österreich, bei denen in so großem Umfang eine bewohnte Wohnhausanlage thermisch saniert und aufgestockt wurde", sagt Castellitz. "Das erfordert von allen Beteiligten in der heißen Phase ein gewisses Zurückstecken des gewohnten Komforts." Im Zuge des Liftausbaus etwa waren die Lifte im zehnstöckigen Haus mehr als zwei Monate lang außer Betrieb. Den Bewohnern wurden in dieser Zeit einige Hilfestellungen und Kompensationsleistungen angeboten – beispielsweise ein Gratislieferservice von Billa, ein kostenloser Personentransport des Samariterbundes, bei Bedarf bis hoch ins allerletzte Geschoß, sowie Ersatzwohnungen und kollektive Tageswohnzimmer auf einer der unteren Etagen.

EU-gefördertes Forschungsprojekt

Die thermische Sanierung und Aufstockung der Wohnhausanlage Hauffgasse in Wien-Simmering ist Resultat eines aus EU-Geldern finanzierten Forschungsprojekts unter dem Titel "Smarter Together". Die 2016 begonnene Studie befasste sich mit der Frage, wie die bestehende Stadt thermisch, energetisch und verkehrstechnisch optimiert werden kann. Der Aspekt des Togethers bezieht sich auf die Tatsache, dass das Projekt in Wien, München und Lyon zugleich abgewickelt wird.

Durch das Forschungskonsortium will man voneinander lernen. Nach Fertigstellung im September 2020 soll das Wiener Projekt (Gesamtbaukosten 37 Millionen Euro) für die Dauer von zwei Jahren vom Austrian Institute of Technology (AIT) evaluiert werden. Die Ergebnisse sollen auch den beiden Partnerstädten zur Verfügung gestellt werden.

Wenn schon, denn schon

Die Baukosten belaufen sich auf rund 2000 Euro pro Quadratmeter im Bereich der Aufstockung sowie auf knapp 750 Euro pro Quadratmeter, was die thermische Sanierung und Ertüchtigung der Stiegenhäuser und Bestandswohnungen betrifft. "Wenn man schon eine so umfangreiche Sanierung macht", erklärt Architekt Rebernig, "dann wäre es sträflich, eine mögliche Aufstockung außer Acht zu lassen."

Die Grundstückskosten beliefen sich auf null, die Infrastruktur sei schon da, und die Betriebskosten des Hauses könnten bei einer größeren Anzahl an Wohnungen für alle Bewohner reduziert werden. In Zeiten von Klimakrise und Grundstücksnot ein mehr als nachahmenswertes Projekt. (Wojciech Czaja, 8.3.2020)