Die Bebauung konzentriert sich an den Rändern des Areals, in der Mitte bleibt es dafür grün. (Bild: Projekt THEOs der Immo360, geplant von Driendl und BWM Architekten)

Visualisierung: BWM Architekten

141 Bäume sollen zwar gerodet werden, aber die meisten bleiben stehen.

Visualisierung: schreinerkastler

Besonders kriegerisch sieht sie nicht aus, die General-Körner-Kaserne an der Spallartgasse in Wien-Penzing. Ursprünglich Teil der um 1900 angelegten umfangreichen Breitenseer Kasernen, war das ummauerte Areal mit seinen Bäumen und Tennisplätzen eher ein Offizierseldorado als ein staubiger Exerzierplatz. Doch jetzt wird es staubig, zumindest für knapp zwei Jahre. Denn ab 2022 werden hier rund 2000 Menschen wohnen.

Städtebaulicher Wettbewerb

Ein Konsortium rund um den oberösterreichischen Projektentwickler Consulting Company hatte das 4,1 Hektar große Areal 2015 für 30,3 Millionen Euro erworben. Die Sivbeg, die bis zu ihrer Auflösung 2016 die Liegenschaften des österreichischen Bundesheeres verwaltete, hatte den Mindestkaufpreis mit 26,8 Millionen Euro fixiert. Gemeinnützige Bauträger und grüne Politiker kritisierten damals, dass ein so hoher Preis leistbares Wohnen gar nicht zuließe. Doch es sollte anders kommen.

Aus einem städtebaulichen Wettbewerb im Herbst 2016 ging ein Entwurf des Wiener Büros Driendl Architects ZT als Gewinner hervor. Ähnlich wie am Nordbahnhof wird hier die Bebauung an den Rändern konzentriert und türmt sich teilweise zu elf Geschoßen. Zum Ausgleich darf die Mitte grün bleiben – insgesamt 15.000 Quadratmeter des Gesamtareals. Dies wurde in der Flächenwidmung festgeschrieben: Seit 1892 war das Areal als reines Bauland ausgewiesen, auch wenn es danach großteils grün blieb. Jetzt hat es einen unverbaubaren grünen Fleck in der Mitte. Platz zum Atmen.

Spatenstich vor einer Woche

Auch die Befürchtung, hier würde mitten im vorstädtischen Breitensee ein Reichenghetto entstehen, hat sich nicht bewahrheitet: Rund 600 der insgesamt etwa 1000 Wohnungen, die in den nächsten Jahren hier entstehen, werden geförderte Mietwohnungen sein. Vorigen Donnerstag luden die fünf Bauträger zum Spatenstich. Den größten Anteil mit rund 470 Wohnungen errichtet die Immo 360grad GmbH, eine Tochter des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW AG), auf den Bauplätzen 5, 6 und 7 unter dem Projektnamen THEOs (Architekten: Driendl und BWM), hier entsteht ein Mix aus freifinanzierten Eigentums- und geförderten Mietwohnungen. Auf dem Bauplatz 4 wird die im Verbund der Sozialbau befindliche Volksbau mit Driendl Architekten 224 geförderte Mietwohnungen errichten.

Auf der Eckparzelle Nummer 3 folgen die Bauträger Eisenhof und Frötscher Lichtenwagner Architekten mit 71 geförderten Mietwohnungen, auf den Bauplätzen 1 und 2 schließlich errichtet die WBV-GPA mit den Architekten Frötscher Lichtenwagner und Gangoly Kristiner 224 geförderte Mietwohnungen. Auch hier ließ man sich bei der Namensgebung von der Geschichte inspirieren, die beiden Bauten heißen Theodor und Rosalie. "Im Bauteil Theodor werden drei Wohnungen und das Leitsystem speziell für sehbehinderte Menschen adaptiert," sagt WBV-GPA-Geschäftsführer Michael Gehbauer. "Im Bauteil Rosalie wird die Baugruppe Vorstadthaus Breitensee ein komplettes Stockwerk besiedeln und neun Wohneinheiten anmieten. Damit wird neben den üblichen geförderten Wohnungen das Angebot in Richtung Vielfalt und Inklusion ausgeweitet."

Die Miete beträgt je nach Bauteil zwischen 8,72 und 9,10 Euro pro Quadratmeter, insgesamt 174 Wohnungen auf dem Gesamtareal werden im Rahmen des Smart-Wohnbauprogramms zu Sonderkonditionen vergeben. Hinzu kommen ein Büro- und Geschäftslokal, ein Nahversorger, ein "Mobility Point", Gemeinschaftsräume und ein Kindergarten. Die Fertigstellung ist für Herbst 2021 bis Frühjahr 2022 vorgesehen.

Wohnqualität durch Bäume

"Wir schätzen uns glücklich, gemeinsam mit unseren Projektpartnern dieses neue Wohnquartier realisieren zu dürfen", so Michael Pech, ÖSW-Vorstandschef. "Die Erhaltung des alten Baumbestands bietet eine außerordentliche Wohnqualität, die allen Bewohnern des Quartiers und der Umgebung zugutekommt." Sozialbau-Generaldirektor Josef Ostermayer lobt das "verkehrsgünstig gelegene Wohnquartier mit grüner Naherholungsqualität."

Apropos grün: Auch wenn Bauland nach 128 Jahren teilweise in Grünland umgewidmet wird, bedeutet das eine Umverteilung des realen Grüns. Die 141 Bäume, für deren Rodung Ende 2019 eine Bewilligung erteilt wurde, sind laut Ansicht einer Breitenseer Bürgerinitiative zu viel des Guten. Bei den Bauträgern wirbt man um Verständnis: "Nahezu 70 Prozent der vorhandenen Bäume können erhalten werden", heißt es auf STANDARD-Anfrage bei der Immo 360grad. "In Abstimmung mit der zuständigen Behörde und dem Baumschutzkonzept folgend werden vielfach Bäume gerodet, die aus pflegerischen Maßnahmen (Altersgrenze erreicht, Schadsymptome, zu nahe bei wertvollerem Baum gepflanzt, Gefahr für Menschen) zu entfernen sind." Wenn der Staub sich legt, bleibt als Ergebnis: ein erstmals öffentlich zugänglicher Park und Wohnen im Grünen für 2000 Menschen. Kein schlechter Kompromiss für eine verdichtete Stadt in heißen Zeiten. (Maik Novotny, 6.3.2020)