Bauern protestierten vor der Spar-Zentrale in Wörgl.

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Wien – Der Strukturwandel in Österreichs Milchwirtschaft beschleunigt sich. Im Vorjahr gaben rund tausend Milchbauern auf, das sind fast vier Prozent der Betriebe. In den kommenden zehn Jahren wird sich ihre Zahl Prognosen der Molkereibranche zufolge noch einmal um gut ein Drittel reduzieren. Es werde immer schwieriger, Landwirte zu motivieren, auf ihren Höfen zu bleiben, sagt Helmut Petschar, Chef der Kärntner Milch und Präsident der Vereinigung der Milchverarbeiter.

Probleme sieht er vor allem für gebirgige Regionen. Wachsen die Almen zu, steige das Risiko für Lawinen und Muren. Ganze Landstriche könnten so entwertet werden. Italien etwa müsse darauf bereits reagieren und versuche nun, Bauern neu anzusiedeln.

Weniger Höfe, mehr Milch

90.000 Milchlieferanten gab es hierzulande zu Zeiten des Beitritts Österreichs zur EU. Derzeit sind es noch 25.600. Die verbliebenen Betriebe wurden erheblich größer. Statt 2,2 Milliarden Liter Milch liefern sie mittlerweile in Summe 3,3 Milliarden. Im europäischen Vergleich sind sie Winzlinge: Ein Hof zählt im Schnitt 20,5 Kühe.

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In Wallungen bringen die Branche regelmäßig Preisverhandlungen mit dem Lebensmittelhandel. Erst jüngst fanden sich hunderte Landwirte mit ihren Traktoren zu Protesten gegen Spar ein. Seiner Kärntner Milch habe der Aufruhr geholfen, resümiert Petschar. Der Handel werde ihr heuer für Milchprodukte quer durchs Sortiment um vier bis fünf Prozent mehr zahlen. Er biege nun bei den Verhandlungen in die Zielgerade ein.

"Existenzbedrohend"

Ob der Handel die höheren Preise schluckt oder an Konsumenten weitergibt, sei offen. Die Bauern würden dadurch jedenfalls für einen Liter Milch ein bis zwei Cent mehr erhalten. Petschar sieht die Molkereiwirtschaft selbst in ihrer Existenz bedroht: 2019 habe sie mit einem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 0,36 Prozent nur knapp positiv bilanziert. Gestiegene Fixkosten hätten keinerlei Spielraum für höhere Bauernmilchpreise zugelassen.

Spar-Chef Gerhard Drexel richtete den Bauern aus, dass es den von ihnen geforderten Österreich-Bonus bei den Preisen längst gebe: Der Handel zahle ihnen weitaus mehr, als sie über Billigexporte ins Ausland lukrierten. Rund 60 Prozent der Milch flossen schließlich über die Grenze. Die von den Molkereien kritisierten Aktionen finanziere Spar im Übrigen selbst.

Trockene Replik von Petschar: Er werde die Supermärkte bei den nächsten Preisverhandlungen daran erinnern. In seinen Augen seien nicht alle Rabatte schlecht. 50-Prozent-Nachlässe oder "1+1 gratis"-Aktionen könne sich der Handel aber sparen.


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Der Exportanteil von zwei Dritteln würde von einem ebenso hohen Importanteil wieder aufgewogen, ergänzt Johann Költringer, Geschäftsführer des Molkereiverbands. Diese Importe fänden sich natürlich auch in den Regalen des Handels wieder, der nicht zuletzt auch die Gastronomie versorge.

"Überall, wo die Herkunft nicht auffällt, ist das Billigste drinnen", sagt Költringer mit Blick auf die Industrie, die sich etwa im großen Stil mit Butter aus dem Ausland eindeckt. Für Költringer ist eine strenge Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel unverzichtbar. Diese wirke sich seiner Ansicht nach auch auf Wirte aus, die von entsprechenden Plänen der Regierung bisher noch unbehelligt bleiben. "Ihr Erklärungsbedarf wird steigen."

Milchflasche kehrt zurück

Konsumenten geben hierzulande nur 1,49 Prozent des Einkommens für Milchprodukte aus, zeigen die Warenkörbe der Statistik Austria. Dass jeder Cent mehr für Milch oder Butter Aufschreie provoziert, können viele Landwirte nur schwer nachvollziehen.

Für Schlagzeilen in der Milchbranche sorgt die Mehrweg-Glasflasche, die Berglandmilch als Österreichs größte Molkerei wieder in die Supermarktregale bringt. Sechs Prozent der Milch würden derzeit in Glas gefüllt, rechnet Petschar vor. "Sie ist ein Nischenprodukt und wird es auch bleiben."

Nur ein Zehntel aller angelieferten Milch fließe bei den Molkereien in Milchpackungen. Davon lasse sich wiederum nur ein kleiner Teil durch Glas ersetzen. Investitionen von sechs bis acht Millionen Euro in neue entsprechende Abfüllanlagen rechneten sich daher schlichtweg nicht. "Vor allem kleinere Verarbeiter können sich das nicht leisten." (Verena Kainrath, 4.3.2020)