Harmonische Diskussion statt hitzigem Streitgespräch: Günter Lang (li.) und Bernd Rießland über das Bauen gegen die Klimakrise.

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"Nein!", war die klare Antwort von Günter Lang, Geschäftsführer von Lang Consulting für innovative Baukonzepte. Nein, man solle nicht ausschließlich Passivhäuser bauen. Man solle lieber viele radikale Ideen endlich einmal umsetzen. "Wir diskutieren jetzt seit 50 Jahren und verschlafen, anstatt zu handeln." Bernd Rießland, Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, nickte.

Was als Debatte für und wider Passivhaus angedacht war, also ein Haus, dessen Energiebedarf durch Sonneneinstrahlung und Wärmeabgabe gedeckt wird, entwickelte sich schnell zu einem konstruktiven Gespräch über echte Alternativen zum Thema Wohnen im Klimanotstand.

"Alle Maßnahmen ergreifen"

Das Passivhaus sei ein Beispiel für klimafreundliches Bauen, bestätigte dessen Verfechter Lang, der langjährige Leiter des Netzwerks Passivhaus Austria. Aber es sei eben nicht das einzige Beispiel. "Es müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, damit wir auf null Emissionen im Gebäudebereich kommen – Neubau und Sanierung."

Es gehe auch um grundsätzliche Verhaltensweisen, sagte Rießland. Vom Bauen und Heizen über den geregelten Fleischkonsum bis hin zum Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dass das Passivhaus dazugehöre, bestätigte auch der Obmann der gemeinnützigen Bauvereinigungen. Darüber hinaus ginge es aber auch darum, Sanierungen so durchzuführen, dass der Bestand CO2- und Methan-frei funktionieren kann. Ölheizungen müssten beispielsweise ausgetauscht und Energieproduktionen implementiert werden, auch nach dem Beispiel des Passivhauses.

Dabei dürfe erstens Geld keine Rolle spielen, und zweitens, das meinte Lang, tue es das auch nicht. "Grundsätzlich gibt es da keine Kostenunterschiede", weder im Neubau noch in der Sanierung.

Lang sprach von Statistiken, die besagten, dass bei einer Sanierung mindestens 80 Prozent des vorherigen Energiebedarfs eingespart werden müssen, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. "Es sind aber 90 und 95 Prozent Einsparung locker möglich."

"Das Zinsargument gibt es nicht mehr"

Um das noch konkreter zu beschreiben, erklärte Lang das Vorhaben, das gesamte Otto-Wagner-Areal mit den vielen Jugendstilbauten nicht als Passivhaus, sondern auf Plus-Energie-Standard zu sanieren – unter Einhaltung des Denkmalschutzes. "Die Gebäude müssen in den nächsten 20 Jahren für sich alleine funktionieren können."

Auch Rießland griff den finanziellen Aspekt auf: "Wir sind bei den Kapitalmarktzinsen in einer Tiefe, in der wir die Förderzinsen erreicht haben", sagte er. "Heute gibt es das Zinsargument nicht mehr." Um allerdings Geld zu sparen, begrüßte Rießland den Trend und die Forderung nach Lowtech-Gebäuden, also Häusern, die hocheffizient, aber mit einfachen und ressourcenschonenden baulichen Komponenten arbeiten. "Für Hightech-Gebäude müssen wir wieder teuer Leute ausbilden, die sie dann einstellen, damit sie funktionieren." Aber auch für Lowtech-Gebäude gäbe es Aufklärungsarbeiten zu leisten. Zudem sei es wichtig, die Erwartungshaltung der Kundinnen und Kunden zu treffen, ergänzte Rießland. Weiter sprach er von der Angst, ausgetretene Pfade zu verlassen.

Lang begrüßte die Vorgehensweise der Neuen Heimat Tirol (NHT). "Am Anfang haben die einen ziemlichen Topfen gebaut. Aber sie haben sich die Mühe gemacht, alles zu analysieren, und dadurch aus ihren Fehlern gelernt." Heute baue die NHT nur nach Passivhaus-Standards.

"Handeln wir endlich!"

Auch die Stadt Wien sei immer wieder daran interessiert, klimafreundliches Bauen nach vorne zu bringen: "Es wird gerade wieder an energieorientierten Projekten gearbeitet, da werden wir demnächst etwas drüber hören", sagte Rießland. Diese Wege müssten zwar beschleunigt werden, "aber dafür sind wir ja alle heute hier".

Rießland lobte zudem die Energie und die Bewegung, die Fridays for Future ausgelöst hat, die auch Anna Lindorfer mit in das Wohnsymposium gebracht hat.

Aus einer angedachten Debatte wurde eine konstruktive Unterhaltung über die verschiedenen Baumaßnahmen in Zeiten der Klimakrise. Bezeichnend dafür war der Satz von Lang: "Schluss mit dem Reden, handeln wir endlich!"

Und auch Rießland schloss sich dem an, endlich Maßnahmen zu ergreifen. "Es ist mir völlig egal, welchen Namen das Kind hat. Das Entscheidende ist, dass wir mit dem Energieverbrauch runtergehen", schloss Lang. Denn nur so sei eine naturverträgliche Versorgung durch erneuerbare Energien möglich. Egal ob Passiv- oder Plus-Energie-Haus, Neubau oder Sanierung – Hauptsache klimaneutral. (Thorben Pollerhof, 5.3.2020)