Wien – Anna Lindorfer war mit Abstand die jüngste Teilnehmerin des Wohnsymposiums. Und trotzdem fiel es ihr zu, den Einstieg in das Thema zu präsentieren. Als Aktivistin und Sprecherin von Fridays for Future und als Architekturstudentin weiß sie, wovon sie redet.

Sie sprach in ihren einleitenden Worten vom wohlbekannten 1,5-Grad-Ziel. Dieses sei nötig, um daraus folgende Kippelemente und Kettenreaktionen zu verhindern. Als Beispiel nannte sie das Abschmelzen des arktischen Eises und der Permafrostböden.

Anstatt aber Vorwürfe im Raum zu verteilen, lud sie die anwesenden Vertreter der Immobilienbranche ein, "vom Problem zum Teil der Lösung" zu werden. Klimafreundliche Baugruppen, Möglichkeiten zum Car-Sharing, die eigene Energieversorgung – es gebe genug Möglichkeiten, zum klimaneutralen Wohnen beizutragen. Denn das Wichtigste, um jede Bewohnerin und jeden Bewohner zum CO2-Sparen zu animieren, ist, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen – die gebe es momentan nicht.

"Viel geredet, wenig gemacht"

Drastischer formulierte es Winfried Kallinger, Geschäftsführer bei Kallinger Bauträger. "Fast peinlich" nannte er das Verhalten der Branche in den letzten Jahren und Jahrzehnten. "Wir haben viel geredet, aber wenig gemacht", ergänzte er, und sogar das Wort "Versagen" verließ hier und da seinen Mund.

Als er auf das Thema klimaaktive GebäudeStandards zu sprechen kam, war die Enttäuschung Kallingers wieder groß. "Nur 31 Gebäude sind für ihre ökologische und energieeffiziente Bauweise ausgezeichnet worden", darunter 14 mit der Plakette in Gold, der höchsten Auszeichnung. Laut Kallinger viel zu wenige.

Energie aus Erde und Sonne

Dabei sei es doch so einfach. Immerhin könnte ein Großteil der Energie aus den gegebenen Ressourcen gewonnen werden: Erde, Luft und Sonne. Kallinger sagt, eine Mischung aus Erdwärme, Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen wären für jedes Gebäude eine Bereicherung.

"Es gibt keinen Grund, nicht klimaneutral zu bauen", führte Kallinger seine emotionale Ansprache fort und ging noch einen Schritt weiter: "Jedes Gebäude, das nicht die goldene Klimaaktiv-Plakette bekommt, ist ein schlechtes Gebäude."

Um der Enttäuschung Kallingers entgegenzuwirken, machte sich Daniela Trauninger, Leiterin des Zentrums für Bauklimatik und Gebäudetechnik, auf, Hoffnung und Positivbeispiele aus der Praxis zu präsentieren. Für sie sei nämlich eine interdisziplinäre, wenn nicht sogar eine transdisziplinäre Planung für klimafreundliches Bauen das A und O. Besonders wenn es um das Kühlen von Wohnhäusern geht.

"Kühl-Scham"

Im Zuge der anschließenden Diskussion kam das Wort "Kühl-Scham" erstmals auf. Schon Kallinger bezeichnete eine Wohnung, in der die Zimmer voller Ventilatoren stünden, als "puren Zynismus". Trauninger sagte, das ließe sich unter anderem mit der richtigen Planung verhindern. Zudem solle man endlich aufhören, mit nicht mehr aktuellen Klimadaten aus der Vergangenheit zu arbeiten. Als Alternative nannte sie natürliche Nachtlüftungskonzepte, die dem Gebäude dabei helfen, sich automatisch über Nacht selbst herunterzukühlen.

Lindorfer skizzierte am Ende ihrer einführenden Rede eine Zukunftsvision ganz nach ihrem Geschmack. Eine Nachbarschaft, in der die einen die anderen darum beneiden, dass sie ihren eigenen Strom entweder durch die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder durch Windräder am Rande der Stadt produzieren.

Was nach den Vorträgen bleibt, ist der Unterschied zwischen Jung und Alt. Während Lindorfer den Blick nach vorn richtete, um einer ganzen Branche die Hand zu reichen, reminiszierte Kallinger die Versäumnisse eben dieser Branche der Vergangenheit. In der Klimakrise werden beide Seiten ihre Rolle spielen. (poll, 5.3.2020)