Welche Daten tauschen Nachrichtendienste im Berner Club aus – und werden diese für Drohnenangriffe benutzt? Derart heikle Fragen werfen neue Dokumente auf.

Foto: US Air Force/Harper Lee

Er komme zwar aus der Polizei, von einem Berner Club habe er aber noch nie gehört, sagte der FPÖ-Abgeordnete Christian Ries vergangenes Jahr im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Verfassungsschutz-Affäre. Könnte ihm der damalige BVT-Vize Dominik Fasching das Gremium erklären? Es handle sich lediglich um ein "Zusammentreffen der Nachrichtendienste Europas", zu denen auch das BVT gehöre, erwiderte Fasching. Ähnlich hatte den Berner Club zuvor BVT-Direktor Peter Gridling bezeichnet – wenngleich schon im U-Ausschuss bekannt wurde, dass es auch "Arbeitsgruppen" und ein "Kommunikationsnetz" gäbe.

Doch Detailfragen dazu wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit beantwortet – wenn überhaupt. Der Berner Club ist die große Blackbox in der europäischen Sicherheitspolitik. Offiziell ist er "eine Art Klassentreffen", bei dem "Direktoren der europäischen Inlandsnachrichtendienste die großen strategischen Fragen besprechen", sagt der Geheimdienstexperte Thorsten Wetzling vom Berliner Thinktank Stiftung Neue Verantwortung. Bislang unbekannte Dokumente, die aus Recherchen der Schweizer Wochenzeitung WOZ stammen und dem STANDARD vorliegen, zeigen aber, dass die BVT-Vertreter in der Beschreibung des Berner Clubs zumindest untertrieben haben. Erstens besteht der Club nicht nur aus europäischen Diensten. Ein Dokument aus dem Jahr 2011 weist auch Vertreter der englischsprachigen Nachrichtendienste abseits Großbritanniens auf, also CIA, FBI sowie kanadische, australische und neuseeländische Behörden. Außerdem ist Israel dabei, unter anderem in Form des Mossad.

Das war zwar schon in den 1970er-Jahren so, als terroristische Palästinenserbewegungen mit linksextremen Gruppierungen wie der RAF kooperierten. Nicht bekannt war bislang aber, dass auch in den 2010er-Jahren Daten mit Israel getauscht wurden.

Die große Drohnenfrage

Die dazugehörige Plattform heißt "Capriccio". Die große Frage ist, ob Informationen, die beispielsweise aus Wien oder Berlin in die Datenbank eingespeist wurden, für illegale Geheimdienstoperationen der USA oder Israels benutzt wurden – etwa Drohnenangriffe. Das würde heikle rechtliche Fragen aufwerfen. Bekannt ist, dass die Counter Terrorist Group, eine Parallelstruktur des Berner Clubs, in Den Haag eine Datenbank namens Phoenix betreibt, in der die USA "Beobachterstatus" genießen. Welche Daten österreichischer Bürger dort gespeichert sind? Das Innenministerium lieferte dazu keine Antworten.

Dabei wurde Österreich in den vergangenen Monaten – ungewollt – zu einem Quell an Informationen über den Berner Club. Denn das Gremium entsandte im Frühjahr 2019 Agenten nach Wien, um die Sicherheit des von Hausdurchsuchungen und politischen Querelen schwer gebeutelten Verfassungsschutzes zu prüfen, der sich zeitweise freiwillig aus den Arbeitsgruppen des Berner Clubs zurückgezogen hatte. Oe24.at stellte den hochgeheimen Bericht der Partnerdienste online, es folgte internationale Verstimmung. Der Bericht zeigte erstmals, dass der Berner Club Mitarbeiter verschiedener Nachrichtendienste bündelt, um Aufgaben zu erledigen – in diesem Fall etwa die Prüfung des BVT. Das wirft weitere Fragen auf: etwa wie viele Ressourcen Österreich für den Berner Club abstellt – und ob Infrastruktur in Wien für Aufgaben des Clubs genutzt wird. So hatte Österreich rund um die BVT-Affäre den Vorsitz der Counter Terrorism Group inne.

Auch dazu gab es bislang keine Antworten. Als einen "Raum ohne Aufsicht" bezeichnet die WOZ die Aktivitäten des Schweizer Nachrichtendienstes im Berner Club – das gilt wohl auch für sein österreichisches Pendant. "Es gibt weder eine gesetzliche Legitimierung für die Aktivitäten des Berner Clubs, noch haben die Kontrollgremien aus den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Datennutzung zu kontrollieren", sagt Experte Wetzling. Diese Fragen könnten auch in Österreich noch zum Thema werden. So bereitet das Innenministerium gerade eine Reform des BVT vor, unter anderem soll die nachrichtendienstliche Komponente gestärkt werden. Dabei werden auch neue Formen der Nachrichtendienstkontrolle angedacht – allerdings nur für inländische Aktivitäten. (Fabian Schmid, 4.3.2020)