Die Unsichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft spiegelte sich auch lange im Arkadenhof der Uni Wien wider. Mit dem Projekt "Der Muse reicht’s" wird seit 2009 auf die davor nicht erfolgte Ehrung der Wissenschafterinnen hingewiesen.

APA / Herta Hurnaus

Frauen haben es in der Wissenschaft immer noch nicht leicht – zumindest schwieriger als ihre männlichen Kollegen. Während mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich sind und der Bachelortitel zu 57 Prozent an Frauen verliehen wird, werden weniger als die Hälfte der Postdoc-Stellen weiblich besetzt.

Eine unbefristete Anstellung an der Uni geht nur in 36 Prozent der Fälle an eine Frau. Frauen machen ein Viertel aller Professorinnen und Professoren aus. Damit liegt Österreich unter dem EU-Durchschnitt. In der akademischen Laufbahn halbiert sich der Anteil der Frauen vom Beginn des Studiums bis zur Professur. Das Phänomen ist als "Leaky Pipeline" oder als akademisches Frauensterben bekannt. Es hat mehrere Gründe.

Eine Frauenquote ist in Österreich im Universitätsgesetz verankert, betrifft allerdings nur Kollegialorgane und Gremien, die seit 2015 zu 50 Prozent von Frauen besetzt sein müssen. Geht es um wissenschaftliches Personal, entscheidet die Hochschule autonom. Denn Universitäten haben das Ziel, als exzellent zu gelten und die Besten an sich zu binden. "Es ist ein bedauerliches Missverständnis in Österreich, dass man Exzellenz- und Gleichstellungspolitik nicht gleichzeitig aus vollem Herzen betreiben kann", sagt die Soziologin Johanna Hofbauer von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Anders in Deutschland: Um dort als "Exzellenzuniversität" zu gelten, muss Gleichstellungspolitik betrieben werden. "Da geht’s ums Geld, da geht’s um die Zuteilung von Budget, und darauf haben die Universitäten in Deutschland natürlich massiv reagiert", sagt Hofbauer. Hier sei ein "wirksamer Hebel" geschaffen worden, den es in Österreich nicht gibt. So finden sich weder vergleichbare Anreizsysteme noch Sanktionen, die eine Gleichstellung in der Wissenschaft begünstigen.

Niedriger Anteil

Vor allem in naturwissenschaftlichen oder technischen Fächern gebe es trotzdem den Vorwurf der "Quotenfrau", sagt Meike Lauggas, Wissenschaftscoachin und Lehrbeauftragte der Gender-Studies. Obwohl diese einen Abschluss haben und das gleiche Bewerbungsverfahren wie ihre männlichen Kollegen durchlaufen haben, müssten sie sich "eigentlich jeden Tag neu beweisen", sagt Lauggas.

An der Montanuniversität in Leoben waren 2018 nur vier Prozent der Professuren von Frauen besetzt. An den Technischen Universitäten in Wien und Graz sieht es nur bedingt besser aus. Dadurch haben viele junge Frauen an diesen Hochschulen keine weiblichen Vorbilder.

In einem Interview mit der Presse erzählt Sabine Seidler, Rektorin der TU Wien, von einem Anstieg der Bewerberinnen, wenn "Verfahrenstechnik in Umwelt-Engineering" umbenannt wird. Ähnliches hat Hofbauer an einer technischen Uni in Deutschland beobachtet. "Man hat nicht mehr so sehr das technische Fach in den Vordergrund gestellt, sondern die gesellschaftspolitische Problemstellung, die man mit dieser Technik lösen kann", sagt die Soziologin. Erklären lasse sich das durch die Sozialisierung der Geschlechter: Viele Frauen wollen problemlösungsorientiert arbeiten, so Hofbauer.

Kinderlos in Fernbeziehungen

"Hochgradig mobil sein, arbeiten bis zum Umfallen, Forschung in kleinste Salamischeiben zerschneiden und möglichst viel publizieren" – diese Lebensform tue weder der Wissenschaft noch den Menschen dahinter gut, sagt Hofbauer. Sie spricht von einer unplanbaren Wissenschaftskarriere. In dieser seien Männer im Durchschnitt mobiler und flexibler als ihre Kolleginnen. Auch das müsse bei einer fairen Berufung beachtet werden. Eine Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung von 2016 zeigt, dass Wissenschafterinnen vermehrt kinderlos sind und in Fernbeziehungen leben.

Als Vorzeigebeispiel für Vereinbarkeit nennt Hofbauer Norwegen. Dort gibt es nach 16 Uhr keine beruflichen Besprechungen oder Termine. Solche Rahmenbedingungen könnten ein Familienleben oder Pflegeverpflichtungen zulassen, ohne die Angst, Chancen zu verpassen. Allerdings werde Frauen noch immer die Mutterrolle zugeschrieben, egal ob sie Kinder haben oder nicht. "Die Differenzierung wird schon lange vorher gemacht", sagt Lauggas. Sie warnt vor dem "Vereinbarkeitsgerede". Es würde inzwischen zu Entmutigung eingesetzt werden und allein die Tatsache, dass Familienleben im Zusammenhang mit Diskriminierung von Frauen thematisiert werde, schreibe diese Zuständigkeit immer wieder neu fest.

Unsichtbar gemacht

Den Wissenschafterinnen, mit denen die Coachin arbeitet, begegne Frauenfeindlichkeit in vielen Formen, sagt sie, es wäre ein Tabu, diese zu nennen. Lauggas berichtet von Frauen, die bei einer Tagung sexuell belästigt wurden oder deren Ideen gestohlen oder erst ernst genommen würden, wenn sie von einem Kollegen wiederholt werden. Man behandle sie herablassend, und ihr hierarchischer Status werde ignoriert, sagt Lauggas. Häufig werde der Anteil von Frauen unsichtbar gemacht (der sogenannte Matilda-Effekt), und sie erhielten zuarbeitende Tätigkeiten im Hintergrund. Dies betrifft nicht alle Frauen gleich. So können auch ethische Differenzen oder soziale Herkunft einen großen Unterschied machen.

Die Folge davon: Einige Wissenschafterinnen litten unter dem sogenannten Impostor-Syndrom, das sich dadurch auszeichnet, "dass Menschen in guten Positionen und qualifizierten Stellen täglich das Gefühl haben: Irgendwann kommt wer und zeigt auf, dass sie das gar nicht verdient hätten und dass sie gar nicht hierhergehörten", sagt Lauggas. Und das trotz exzellenter Leistungen. (Johanna Fuchs, 08.03.2020)