Der Anwalt (Thomas Kamper) träumt vom unlauteren Deal mit dem Firmenboss (projiziert: Alexandra M. Timmel, mit Sebastian Thiers).

Andreas Friess

Gesellschaftspolitisch akute Fragen spalten die Gesellschaft. Zu diesem oft orientierungslosen Kampf in der unmittelbaren Gegenwart gibt es bereits ein Theaterstück. Ulrike Syhas Der öffentliche Raum hat soeben im Theater Drachengasse in Wien seine Uraufführung gefeiert. Bei Rowohlt erschienen und mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet, fasst das Drama eine Familie in ihrem urbanen Gefüge ins Auge. Eine Familie, die ganz zeitgenössisch in ihre Einzelpersonen zerfallen scheint: ein linksliberales Ehepaar, sie Soziologin mit transkulturellen Aufgaben (Zeynep Buyraç), er Anwalt (Thomas Kamper), und eine Tochter aus erster Ehe, ein Fridays-for-Future-Kind (Ylva Maj).

Halbierte Bühne

Ihr Lebensalltag, aber auch die Passwörter ihrer jeweiligen Endgeräte trennen ihre Welten. Nur einer glaubt, er stehe über allem, ein Bot, der Sätze ausspuckt wie; "Ich kenne dich besser, als nötig wäre." Als computergeneriertes Visual ist er in Sandra Schüddekopfs Inszenierung auf jene Wand projiziert, die den Theaterraum – so ist es im Stück vorgegeben – mittig teilt. Das Publikum sieht also nur je 50 Prozent und soll so die Erfahrung einer gespaltenen Gesellschaft machen.

Was im jeweils abgetrennten Bühnenteil geschieht, hört man nur (Bühne & Kostüme: Andrea Fischer). Das ist weniger aufregend, als es klingt, bespielt den Raum der Drachengasse aber optimal. Die Frau schlägt, um sich abzureagieren, in Internetforen um sich; der aufstiegswillige Mann gerät unabsichtlich in einen rechtsradikalen Elitezirkel; die Tochter zieht aus.

Der logistische Aufwand des Stücks (Raumteilung, Digitalität, Synchronizität) beschwert die Inszenierung, die ihrerseits kluge Lösungen findet. Doch winkt hier auch etwas angestrengt der Zaunpfahl der medienkritischen Öffentlichkeit. (afze, 5.3.2020)