Ex-Vizepräsident Joe Biden gab am Super Tuesday ein ordentliches Lebenszeichen von sich.
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Es war eine sensationelle Aufholjagd. Der bereits politisch abgeschriebene Ex-Vizepräsident Joe Biden gab am Super Tuesday ein ordentliches Lebenszeichen von sich. "Sie haben mich noch nicht beerdigt, ich bin nicht tot. Ich bin zurück", rief der 77-Jährige seinen Fans auf der Siegesfeier in Los Angeles zu. Nach einem Drittel der demokratischen Vorwahlen führt er überraschend deutlich vor dem "demokratischen Sozialisten" Bernie Sanders, der eigentlich als Favorit in den Tag gegangen ist.

Zu verdanken hat Obamas Vize dieses "Joementum" vor allem der strategischen Entschlossenheit von Amy Klobuchar und Pete Buttigieg. Die parteiinternen Konkurrenten zogen ihre Kandidaturen knapp vor dem Super Tuesday zurück und riefen zur Wahl des Moderaten Biden auf. Damit hofft das Parteiestablishment den Fehler der Republikaner zu vermeiden, der 2016 letztlich zur Wahl von Donald Trump geführt hat. Deren Kandidatenfeld konnte sich damals lange nicht dazu durchringen, sich hinter einem gemeinsamen gemäßigten Kandidaten zu scharen. Der Rest ist Geschichte.

2020 wurde also vorsorglich schon vor dem Super Tuesday eine Koalition der Vernünftigen geschmiedet, zu der am Mittwoch auch Michael Bloomberg stieß. Die Parole für diesen Vorwahlkampf lautet: Alle Moderaten vereinen sich hinter Biden. Sanders, der das politische Establishment ablehnt und einen radikalen politischen Systemwechsel von links fordert, muss verhindert werden. Beide Seiten stehen sich bisweilen hasserfüllt gegenüber. Eine Kampfabstimmung beim demokratischen Parteitag im Juli in Milwaukee ist nicht ausgeschlossen.

Duell der alten weißen Männer

Noch ist der Ausgang des Duells der alten weißen Männer aber offen. Bernie Sanders stellt dabei jedenfalls eine ähnliche Herausforderung für das moderate demokratische Establishment dar wie 2016 Donald Trump für die Republikaner. Dass das Gegenmittel jetzt tatsächlich Joe Biden heißen soll, sagt viel über den Zustand der demokratischen Partei aus. Trotz des extrem breit gefächerten Bewerberfeldes setzt man all seine Hoffnungen erst recht wieder auf den verblassenden Glanz der Obama-Jahre. Das ist gewiss mutlos und mutmaßlich sogar fruchtlos.

Kann "Uncle Joe", leicht angestaubter Ex-Vizepräsident mit Wortfindungsstörungen und hölzerner Attitüde, US-Präsident Donald Trump im direkten Präsidentschaftswahlkampf gefährlich werden? Vielleicht. Biden ist berechenbar, anständig, erfahren, staatsmännisch, von Werten getragen. Und damit das Gegenteil von Trump. Aber was Trump so stark macht, sind seine Glaubwürdigkeit und seine Popularität bei den Abgehängten in der Gesellschaft, die unter der extrem ungleichen Verteilung von Einkommen und Wohlstand leiden. In dieser Gruppe konnte er Wähler mobilisieren, die ihm letztlich mit zum Sieg verholfen haben.

Das ist auch die große Stärke von Bernie Sanders im linken Spektrum. Er reißt Menschen mit, begeistert auch die eigentlich Unpolitischen. Ex-Vize Joe Biden hat keine vergleichbar motivierte und emotionalisierte Bewegung hinter sich.

Egal welcher der beiden Männer gegen Trump antritt: Je länger die innerparteiliche Selbstzerfleischung der Demokraten dauert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass auch der nächste US-Präsident Trump heißt. Wie auch im Jahr 2016 bleibt die größte Schwäche der Demokraten ihre innere Zerrissenheit. (Manuela Honsig-Erlenburg, 4.3.2020)