Am 24. Jänner fand die erste Tagung und Ausstellung unter dem Titel #HGMneudenken in einer ehemaligen Offizierswohnung gegenüber dem Museumskomplex statt, die als direktes Resultat aus den kritischen Recherchen der Plattform "Stoppt die Rechten", des STANDARDs sowie des Kuriers hervorging. Der Anspruch der unabhängigen Initiative rund um die Wissenschaftlerin und Autorin Elena Messner und den Künstler Nils Olger war die Forderung nach einer inhaltlichen sowie strukturellen Neugestaltung des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM), die einerseits in Form von Redebeiträgen verschiedener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und anschließenden Diskussionen, andererseits durch diverse künstlerische Arbeiten ihren Ausdruck fand. Ein zentraler Kritikpunkt ist dabei, dass die Inszenierung des HGM – sowohl auf visueller als auch auf inhaltlicher Ebene – letztlich zu einer Relativierung der Beteiligung Österreichs am Nationalsozialismus beiträgt.

Bereits zuvor stand das HGM unter heftiger Kritik: Seit Ende 2019 werden die Inhalte der Dauerausstellung, der Museumsleitung sowie des Museumsshops und die Einlagerung von Kriegsmaterial in einem Bunker durch vier verschiedene Kommissionen geprüft. Im HGM-Shop wurde beispielsweise rechtsextreme bis neonazistische Literatur aus dem "Ares Verlag" zum Verkauf angeboten, der wiederum Teil des Grazer "Leopold Stocker Verlages" ist. In jenen Verlagen wird unter anderem der rechtsextremen "Identitären Bewegung" oder dem Holocaust-Leugner David Irving eine Plattform geboten (mehr Informationen zu den Aktivitäten des Stocker Verlages finden sich auf der Website des DÖW).

Initiiert wurde die Prüfung von Thomas Starlinger, Verteidigungsminister der Bierlein-Regierung, doch die Unabhängigkeit mancher Kommissionsvorsitzender wurde bereits angezweifelt – der Leiter der Kommission, Wolfgang Muchitsch, verlieh beispielsweise dem HGM einst ein Gütesiegel des Museumsbundes, dessen Präsident er ist. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse ist bis dato noch ausstehend.

Rechtsextreme Verbindungen

Im Rahmen der Veranstaltung zeigten Politikwissenschaftler Sebastian Reinfeldt und Karl Öllinger von den Grünen die Verbindungen des Museums zu rechtsextremen Akteurinnen und Akteuren und Kreisen auf, und von dort wiederum zur FPÖ. Ein konkretes Beispiel in der Sache liefert "Pappenheim", das Wikipedia-Pseudonym von Walter Kalina, der als Referatsleiter im Heeresgeschichtlichen Museum arbeitet. Zudem ist Kalina ehemaliger Mitarbeiter von FPÖ-Politiker Martin Graf und bekennendes Mitglied der schlagenden Burschenschaft Gothia – und dabei nicht der einzige Museumsmitarbeiter, der burschenschaftlichen Hintergrund hat. Dies alles wurde schon im Laufe des vorigen Jahres unter anderem auf dem Blog "Semiosis" und auf der Plattform "Stoppt die Rechten" publiziert, in der Debatte rund um die Neukonzeption des HGM erlangten diese problematischen Zusammenhänge schließlich größere Aufmerksamkeit.

Kalina nutzte Wikipedia jahrelang dazu, die österreichische Geschichtsschreibung einer rechten Ideologie folgend anzupassen, sowie die Täterinnenschaft und Täterschaft im Nationalsozialismus zu relativieren. Er veränderte beispielsweise den Wikipedia-Artikel zu NS-Propagandamaler Otto Jahn, dessen Landser-Gemälde ohne nähere Erklärung jenen Ausstellungsraum im HGM ziert, der sich mit der österreichischen Geschichte vor und während des Nationalsozialismus auf unkritische Weise auseinandersetzt. Das Gemälde wurde 1940 von Jahn für die Ausstellung "Deutsche Soldaten und ihre Gegner" angefertigt, bereits 1939 stellte er für Hermann Göring in Berlin aus – und auf Wikipedia wird er als "österreichischen Porträt-, Landschafts- und Kriegsmaler" dargestellt.

Wie soll das HGM ausgerichtet werden?
Foto: Heribert CORN, corn@corn.at

Raum für Revision

Auch in dem von Kalina überarbeiteten Artikel über den deutschnationalen Politiker Franz Dinghofer wurde dessen Mitgliedschaft in der NSDAP schlicht ausgelassen. Erst 2019 nach der Offenlegung seiner NSDAP-Mitgliedskartei durch das Mauthausen Komitee wurde der Wikipedia-Artikel dementsprechend geändert. Da schließt sich insofern der Kreis, als dass es der damalige dritte Nationalratspräsident Martin Graf war (für den Kalina arbeitete), der 2010 ein Symposium "zu Ehren Franz Dinghofers" initiierte und außerdem Präsident des "Dinghofer-Institutes" ist.

Walter Kalina und auch Christian Ortner, derzeitiger Direktor des HGM, promovierten beide bei Lothar Höbelt – jenem Geschichte-Professor der Universität Wien, der in den vergangenen Monaten aufgrund seiner Nähe zu rechtsextremen Kreisen und seinen problematischen, teils den Holocaust relativierenden Positionen erneut stark kritisiert wurde. Hier wurde ebenfalls durch Pappenheim die Kritik am eigenen Doktorvater aus dem Wikipedia-Beitrag entfernt.

Seit 30. Jänner ist nun auf dem Wikipedia-Userprofil von Pappenheim zu lesen, dass "dieser Benutzer auf eigenen Wunsch hin nicht mehr in der Wikipedia tätig ist". "Einschlägige Artikel" in den Medien seien es gewesen, die ihn notgedrungen mit seinem Editieren – für das er auch nie nur einen Cent bekommen habe – aufhören ließen. Dass der HGM-Referatsleiter allerdings in regulären Arbeitszeiten auf Wikipedia Beiträge (und museumsbezogene Inhalte) umschrieb, findet dabei keine Erwähnung. Die Erklärung beendet er schließlich mit den Worten "Gratuliere, E-Fisch, du hast gewonnen. Vielleicht lässt du mich jetzt auch mal in Ruhe." Mit "E-Fisch" ist jener Wikipedia-User gemeint, der maßgeblich zur Aufdeckung der Aktivitäten von Pappenheim beigetragen hat.

Weitere Kreise

Weiters ist es kein Zufall, dass beispielsweise "Identitären"-Sprecher Martin Sellner in einem Video das HGM als sein "Lieblingsmuseum" bezeichnete oder der Attentäter von Christchurch dem Museum ebenso einen zufriedenen Besuch abstattete. Im Gegenteil – es verdeutlicht vielmehr die Konsequenzen der Entkontextualisierung und Entpolitisierung der Darstellungen und Inhalte eines militär- und kriegshistorischen Museums, das sich zudem als nahrhaften Boden für völkischen und deutschnationalen Geschichtsrevisionismus zeigt.

Im Heeresgeschichtlichen Museum, das übrigens das letzte Museum in Österreich ist, das einem staatlichen Ministerium – dem Verteidigungsministerium – untersteht, wird nicht nur unkritisch und unkommentiert "Feldherren" der Habsburger Monarchie in der "Ruhmeshalle" Tribut gezollt, vor allem die Täterinnenschaft und Täterschaft Österreichs im Nationalsozialismus wird hier auf erschreckende Weise relativiert. Der zeitgeschichtliche Saal "Republik und Diktatur", der den Zeitraum von 1918 bis 1945 darstellen soll, ist ein Sammelsurium an Objekten und (Propaganda-)Materialien, die teilweise wahllos und ohne nähere Erläuterungen aneinandergereiht sind. Dem österreichischen "Opfermythos" entgegenkommend, wird weder der Austrofaschismus dezidiert als solcher benannt und verhandelt, noch die aktive Beteiligung am Nationalsozialismus und dessen systematischen Vernichtungsprogrammen entsprechend aufgearbeitet.

Orte der Verhandlung

Das HGM ist schließlich nicht nur ein Ort der Sammlung und Darstellung nach Außen, als Museum hat es auch einen pädagogischen Auftrag. Nicht zuletzt sind Museen vor allem Orte des Diskurses und im Idealfall der kritischen Reflexion über historische und gesellschaftliche Verhältnisse, die zusätzlich alternative Lernmöglichkeiten bieten können. Und im Falle der österreichischen Geschichtsaufarbeitung stellt sich über die dargestellte Zusammenhangslosigkeit und Entpolitisierung hinaus die Frage, wo die gesamtgesellschaftliche Verantwortung eines öffentlichen Museums liegt. Festzuhalten ist jedenfalls, dass eine inhaltliche und strukturelle Neukonzeption des Heeresgeschichtlichen Museums im Jahr 2020 längst an der Zeit ist. (Bianca Kämpf, 5.3.2020)

Bianca Kämpf forscht zu Rechtsextremismus.

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