Buenos Aires – Dutzende Kriegsverbrecher des nationalsozialistischen Regimes, darunter etwa Josef Mengele und der für die Deportation von Juden in die Vernichtungslager der Nazis zuständige Adolf Eichmann, haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien abgesetzt und lebten dort teilweise unter falscher Identität. Die Anzahl der NS-Sympathisanten, die in dem südamerikanischen Land lebten, ist freilich deutlich höher: Nun ist in Argentinien eine Liste mit den Namen von 12.000 Nazis aufgetaucht, die dort ab den 1930er-Jahren gelebt haben sollen. Ein argentinischer Ermittler sei in einem alten Lagerhaus in Buenos Aires auf die Liste mit Sympathisanten des Hitler-Regimes gestoßen, teilte das Simon-Wiesenthal-Zentrum mit.

Ein Großteil der Nazi-Sympathisanten, die einer Gruppierung namens "Unión Alemana de Gremios" angehörten, zahlte den Angaben zufolge Geld auf eines oder mehrere Konten bei der Schweizerischen Kreditanstalt ein, der heutigen Großbank Credit Suisse mit Sitz in Zürich. "Wir glauben, dass sich auf diesen lange ruhenden Konten Geld befand, das den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus gestohlen worden war", hieß es. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum bat die Bank demnach schriftlich um einen Zugang zu ihren Archiven.

Ein Teil der in Buenos Aires aufgetauchten Liste von NS-Sympathisanten.
Foto: Simon Wiesenthal Center

Vernichtung von Beweisen

Viele der Menschen auf der Liste hatten nach Einschätzung des Zentrums Kontakt zu Unternehmen mit Verbindungen zum NS-Regime, "die während des Zweiten Weltkriegs von den USA und Großbritannien auf die schwarze Liste gesetzt worden waren". Argentinische Nazigruppierungen hätten versucht, die Beweise durch Verbrennung von Akten zu vernichten, teilte das Zentrum mit.

Die Credit Suisse verwies auf eine Untersuchungskommission, die zwischen 1997 und 1999 zu Schweizer Konten von mutmaßlichen Holocaust-Opfern ermittelte. Die Bank kündigte aber an, sie werde der "Angelegenheit nochmals nachgehen".

Rolle der Schweizer Banken im Zweiten Weltkrieg

Dass Schweizer Banken im Zweiten Weltkrieg die Drehscheibe der finanziellen Operationen des "Dritten Reiches" waren, ist schon länger bekannt. Die Geldinstitute ermöglichten dem deutschen Naziregime die Devisenbeschaffung und partizipierten an der Finanzierung von Einfuhren für die Kriegsanstrengungen Hitlers. Seit dem Beginn des Krieges hätten Deutschland wie auch die Schweizer Banken begriffen, dass es ihren reziproken Interessen diente, die Geschäftsbeziehungen zu schützen, wurde unter anderem im 2002 veröffentlichten sogenannten Bergier-Bericht festgestellt.

Deutschland konnte sich ausländische Devisen verschaffen, indem es in der Schweiz Raubgold verkaufte. Der Reichsbank gelang es, sich in der Schweiz 1,9 Milliarden Franken zu verschaffen, indem sie Edelmetalle verkaufte und Clearing-Geschäfte tätigte. Die Schweizer Banken fungierten während des Krieges auch als Finanzintermediäre. Sie trugen dazu bei, die Lieferungen von Rohstoffen oder lebenswichtigen Gütern wie Kakao oder Sardinen zu finanzieren, welche aus Ländern wie Portugal, der Türkei oder Spanien kamen.

Die Großbanken verdienten dabei viel Geld, indem sie die Schweizer Lieferungen von Kriegsmaterial an das "Dritte Reich" finanzierten. Die Waffenverkäufe hatten einen erheblichen Anteil am Geschäftsvolumen und brachten wichtige Kommissionen. Die Banken gewährten auch den Schweizer Rüstungsunternehmen Kautionen, in einigen Fällen auch der deutschen Armee. In einigen Banken – unter anderem in der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) und im Schweizerischen Bankverein (SBV) – hegte man starke Vorbehalte, mit jüdischen Financiers zusammenzuarbeiten. Die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) hatte ein NSDAP-Mitglied eingestellt, das ihre Interessen in Deutschland vertrat. (red, APA, 5.3.2020)