Wer hat das Recht, auf der Rampe vor dem Hauptgebäude der Uni Wien zu protestieren? Darüber wird in der Hauptstadt heftig diskutiert. Denn immer mittwochs halten dort Burschenschafter ihren Farbenbummel ab ...

Foto: APA / Helmuth Fohringer

... und linke Aktivisten demonstrieren dagegen.

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Die Polizei sorgt indes für Ordnung.

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Es ist Mittwoch kurz vor zwölf Uhr: Ein paar Dutzend Aktivisten versammeln sich auf den Stufen vor dem Haupteingang der Uni Wien. Einige von ihnen tragen Schals, die sie über den Mund hoch zur Nase gezogen haben, und Sonnenbrillen. Sie wollen von den vielen Fotografen, die das Treiben beobachten, nicht abgelichtet werden.

Kurz nach zwölf Uhr erscheinen sie: Rund 25 Burschenschafter nehmen an diesem letzten Mittwoch im Wintersemester am sogenannten Farbenbummel teil. Die anwesenden Polizistenbahnen ihnen den Weg durch die Protestierenden die Rampe hinauf. Doch dort ist Schluss. Als Vorsichtsmaßnahme habe die Polizei die Unileitung gebeten, die Tore zum Hauptgebäude zu versperren. "Burschis raus", hallt es von der anderen Seite der Polizeireihe. Nach rund einer Dreiviertelstunde ist die Aufregung schon wieder vorbei.

Szenen wie diese haben mittlerweile fast schon Tradition. Nicht selten wird darum nach der Rolle der Unileitung in diesem Konflikt und ihrem Hausrecht gefragt. Die Hochschüler_innenschaft (ÖH) der Uni Wien fordert, die Kundgebungen der Burschenschafter zu untersagen. "Wir werden so lange dastehen, bis die Leitung der Uni Wien endlich ein Zeichen setzt und rechtsextreme Aufmärsche unterbindet", schreibt das Vorsitzteam in einer Stellungnahme. Aber wer darf eigentlich den öffentlichen Raum an der Uni für seine Kundgebungen nutzen?

Uni Wien für Toleranz

Das Rektorat der Uni Wien betont, dass die Hochschule für Toleranz, Offenheit und Internationalität stehe und sich klar von Intoleranz, Extremismus und Rassismus distanziere. Man könne Versammlungen auf der Rampe jedoch nicht untersagen.

Das sieht auch Franz Merli so, Professor für Verfassungsrecht am Juridicum. Die Uni habe zwar ein Hausrecht auf das Grundstück, es werde aber durch Grundrechte wie jenes auf Versammlungsfreiheit beschränkt.Das heißt aber nicht, dass man ohne Erlaubnis des Eigentümers fremde Grundstücke einfach benutzen und darauf protestieren kann. Im Fall der Uni liege aber eine besondere Situation vor: Zum einen sei die Hochschule als Grundstücksbesitzerin Teil des Staates und somit unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Zum anderen grenzt die Rampe vor dem Hauptgebäude direkt an öffentlichen Grund und steht, laut Merli – anders als Hörsäle oder Büros –, allen zur Nutzung offen.

Kundgebungen untersagen darf hingegen die Landespolizeidirektion, und zwar dann, wenn sie gegen das Versammlungsgesetz verstoßen und die öffentliche Ordnung gefährden. Das war Mitte Jänner schließlich auch der Fall: Eine Demo gegen das wöchentliche Treffen der Burschenschafter auf der Uni-Rampe wurde nicht genehmigt.

Laut der Wiener Polizei seien sowohl die Farbenbummel der Burschenschafter als auch die Gegendemos angemeldete Versammlungen. Da es zuvor zu Ausschreitungen gekommen sei, habe man den Schutzbereich zwischen den beiden Gruppen von zehn auf 40 Meter erhöht. Da die linken Demoanmelder damit nicht einverstanden waren, "wurde die Versammlung untersagt", heißt es von der Polizei.

Absage regt ÖH auf

Das seien "fadenscheinige Gründe", findet die ÖH. Denn die von der Polizei angesprochenen Ausschreitungen seien "weder im Rahmen des Burschibummels noch im Rahmen unserer Gegendemo geschehen". Durch die Vergrößerung der Schutzzone für die Burschenschafter sei eine sinnvolle Gegenkundgebung außerdem nicht mehr möglich gewesen.

Laut ÖH gäben sich die Unileitung und die Behörden zwar nach außen hin neutral, die von ihnen gesetzten Aktionen würden aber eine politische Sprache sprechen: "Die öffentliche Zurschaustellung von deutschvölkischem, antifeministischem und antisemitischem Gedankengut soll reibungslos ablaufen können, während legaler antifaschistischer Protest verunmöglicht wird."

Demonstriert wird aber nicht nur vor, sondern auch im Gebäude. Im Jänner blockierten Studierende die Vorlesung des umstrittenen Geschichteprofessors Lothar Höbelt. Laut Rektorat kam es dabei auch zu Tätlichkeiten und Sachbeschädigungen, der Sicherheitsdienst verständigte die Polizei. Die Uni betonte zwar, dass "Protest und auch Protestaktionen" Teil der Universitätskultur seien, plädierte aber für ein "respektvolles Miteinander". Auch bei der Besetzung der TU Wien griff die Unileitung zuletzt relativ schnell durch. Nach nur wenigen Stunden ließ das Rektorat den Saal von der Polizei räumen.

Protest auch in der Uni

Laut Verfassungsrechtler Merli sei die Situation bei einem Protest im Unigebäude komplizierter: "Protestaktionen werden vermutlich zumindest dort und insoweit untersagt werden dürfen, wo sie nicht von Universitätsangehörigen ausgehen oder den Lehrbetrieb ernsthaft stören würden."

Die mittlerweile fast zur Tradition gewordene Debatte um politische Proteste an Unis wird jedenfalls weiter anhalten, ein Ende ist aktuell nicht in Sicht: Sowohl Burschenschafter als auch linke Gruppen werden dieses Semester weiter Kundgebungen abhalten. (Jakob Pflügl, 11.3.2020)