An dem jeweiligen Ende des Spielfeldes stehen einander die Spielerinnen und Spieler der beiden Teams gegenüber. Ihre Trikots zieren Logo und Farbe des Vereins, die Sporthosen erinnern stark an Basketballshorts. Gleich geht es los. Auf der Wurfscheibe prangt das Symbol von einem der spielenden Klubs. Mit dem sogenannten Pull, dem ersten Wurf, wird diese so weit wie möglich über das 100 Meter lange Rasenstück geschleudert. Gespielt wird Ultimate Frisbee.
Der Sport wurde 1968 von Schülern aus New Jersey auf dem Parkplatz ihrer Highschool erfunden und dann von ihnen in ihrer Zeit an der Uni weiterentwickelt – zu dem, was man heute unter Ultimate Frisbee kennt. Anfänglich verbreitete sich der Sport primär an US-Universitäten. Heute wird das relativ komplexe Spiel nicht ausschließlich, aber immer noch vorrangig von Studierenden und Alumni ausgeübt. Seit den 1980er-Jahren gewinnt der Sport auch in Österreich zunehmend an Popularität. Neben Hochschulen im ganzen Land, die den laufintensiven Teamsport als Usi-Kurs anbieten, gibt es 58 eingetragene Vereine mit 3.500 aktiven Spielerinnen und Spielern, die bei nationalen wie internationalen Turnieren und Meisterschaften antreten. Im Winter wird in der Sporthalle gespielt, im Sommer auf Rasen.
Parallelen zum Football
In seinen Grundzügen unterscheidet sich der Scheibensport nicht sonderlich von vielen anderen ballbasierten Teamsportarten. Die meisten Parallelen gibt es zum American Football. Es gibt zwei Endzonen, in denen einander zu Beginn sieben Spielerinnen und Spieler auf der sogenannten Line, dem Startpunkt eines jeden Spiels, gegenüberstehen.
Das angreifende Offense-Team versucht mit Pässen die Scheibe in die gegenüberliegende Endzone zu befördern. Ist man im Besitz der Scheibe, darf man sich nur im Sternschritt bewegen. Schafft es das Frisbee in die gegnerische Endzone, gibt es einen Punkt. Fällt es auf dem Weg dorthin zu Boden, wechselt das Offense-Team in die Defense – also in die Verteidigung.
Das geschieht aber auch bei einem Regelverstoß, etwa bei Körperkontakt mit anderen. Ein Foul wird aber nicht von einem Schiedsrichter oder einer Schiedsrichterin angezeigt: Ultimate Frisbee verzichtet auf externe Aufpasser. Stattdessen werden Regelverstöße selbst geregelt. So müssen beispielsweise Fouls eigenständig gemeldet werden. Die beiden direkten Gegenspieler müssen dann entscheiden, ob sie den Verstoß und damit den Verlust der Scheibe ans andere Team akzeptieren oder nicht. Können sich die Konkurrenten nicht einigen, werden weitere Spieler auf dem Feld miteinbezogen. "So wird das immer gut gelöst. Einen Schiedsrichter hätte ich noch nie benötigt", sagt die Jus-Studentin Iris Marko.
Die Spielregeln zu kennen und nach bestem Wissen und Gewissen anzuwenden ist Teil des sogenannten "Spirit of the Game". Er beschreibt den fairen und respektvollen Umgang mit dem gegnerischen Team und erhält auf Frisbee-Turnieren einen eigenen Preis. Dieser Umgang unter den Spielerinnen war für die gebürtige Salzburgerin Iris Marko auch die Motivation, die sie zum Ultimate Frisbee gebracht hat.
Aber auch davor war die 26-Jährige nicht untätig: Sie spielte Basketball und Fußball, doch empfand sie das Foulen und absichtliche Abdrängen anderer Spieler als unangenehm, erzählt sie. Auch für Patricia Lang, Volksschullehramtsstudentin in Graz, die davor keinen Teamsport regelmäßig ausübte, waren der Spirit und die Menschen hinter dem Sport der Grund, mit dem Sport zu beginnen.
Für den Spirit positiv bleiben
Lockt der Scheibensport also eine spezielle Klientel an, oder hat das Fairplay Einfluss auf den Menschen, der ihn ausübt? Björn Krenn, Sportpsychologe am Institut für Sportwissenschaften der Universität Wien, sieht einen "Transfereffekt" zwischen dem Verhalten im Sport und demjenigen abseits des Spielfeldes. Gerade das eigenständige Schiedsrichten verlange neben guter Regelkunde eine adäquate Reflexion des eigenen Verhaltens und des Verhaltens der Gegenspieler, da Verantwortung nicht abgeschoben werden kann.
"Beim Sport lernt man viel. Dass man für den Spirit trotzdem positiv bleibt, auch wenn man sich gerade auf dem Feld ärgert, kann man sich auch fürs Leben merken", sagt Stefan Hartig. Der Oberösterreicher studiert Deutsch und Geschichte auf Lehramt und spielt regelmäßig für zwei Vereine.
Unterschiedlich wird allerdings die Frage beantwortet, ob sich der Spirit verändert, wenn die Spielsituation kompetitiver wird. Staatsmeisterschaften oder höhere Wettkämpfe werden als emotionaler beschrieben, den Regeln wird viel mehr Beachtung geschenkt als in "Spaßturnieren". Der Sportpsychologe Krenn vermutet, dass sich die Gewichtung des Fairplay möglicherweise verändere und die sportliche Leistung den höchsten Stellenwert einnehme, wenn man mit dem Sport Geld verdienen oder eine olympische Medaille gewinnen könne.
Sexismus auf dem Spielfeld
Neben reinen Frauen- und Männerteams wird auch gemischt gespielt. Bei Mixed-Turnieren muss eine gewisse Anzahl von Frauen auf der Line stehen. Zumeist spielen vier bis fünf Männer und drei bis vier Frauen einen Punkt.
Facebook-Gruppen wie "Womxn in Club Ultimate" vernetzen weibliche Spieler und werden von diesen auch oft als Ort genutzt, um ihre Erfahrungen mit Sexismus auf dem Spielfeld zu teilen. Viele erzählen dort, dass in Mixed-Teams Frauen unterschätzt oder seltener angespielt werden als Männer. "Das ist allerdings eher ein Teamphänomen und nicht abhängig davon, wie kompetitiv das Turnier ist", sagt die Steirerin Olivia Robin Thomas, die bei der Mixed-WM in Kanada 2008 und -EM in Kopenhagen 2015 für Österreich angetreten ist.
Der Sportpsychologe Krenn kann sich vorstellen, dass auch gewisse Trainingsregeln Turniersituationen verändern könnten. Etwa dass ein Punkt nur dann zählt, wenn eine Frau daran beteiligt ist. Um die Rolle der Frauen zu stärken, gibt es seit diesem Jahr eine sogenannte Gender-Rule. Die soll sicherstellen, dass in Zukunft Frauen und Männer gleich viel Spielzeit bekommen. (Katharina Nieschalk, 13.3.2020)